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„Wir suchen passgenaue Lösungen gegen den Fachkräftemangel“

Corona-Pandemie, Lieferkettenstörungen, Digitalisierung, demografischer Wandel, Inflation – unser Lebensumfeld wird immer komplexer. Vielen Unternehmen fällt es da schwer, Fachkräfte zu finden und durch diese Herausforderungen zu navigieren.

Besonders die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) kommen an ihre Grenzen. Viele Handwerksbetriebe beispielsweise haben volle Auftragsbücher und kaum Zeit oder Ressourcen, sich um die Personalentwicklung zu kümmern.

Hier setzt die beim Institut für berufliche Bildung, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik (INBAS) angesiedelte und im Auftrag der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa tätige Landesagentur für berufliche Weiterbildung (LabeW) an. Am 1. November 2021 gestartet, will sie die zahlreichen Weiterbildungsangebote, die Bedürfnisse von Unternehmen, aber auch von Weiterbildungsinteressierten in Bremen und Bremerhaven koordinieren, so Dr. Thorbjörn Ferber, Leiter der LabeW.

Herr Dr. Ferber, wie sehen Sie den Bremer Arbeitsmarkt zurzeit?

Ferber: Ich erlebe eine hohe Dynamisierung, alles wird schneller. Dazu gehören gestörte Lieferketten, die Corona-Krise, Preisinflation durch den Ukraine-Krieg. Ausbildungsstellen bleiben unbesetzt, es wird zunehmend schwieriger, neue Fachkräfte zu finden. Viele dieser Herausforderungen prasseln ungebremst auf die Unternehmen ein. Hinzu kommt eine Unsicherheit, was die Zukunft angeht. Unternehmen und Arbeitnehmende wissen zum Teil nicht, wie ihr Beruf in zehn Jahren aussieht, die Digitalisierung verändert Jobs massiv. Wandel wird zur Konstante – das schafft Ungewissheit.

Und da kommt der Weiterbildung eine bedeutende Rolle zu?

Ferber: Ja, genau. Betriebe müssen sich fragen: Wie können wir unsere Belegschaft weiterqualifizieren, sodass sie für neue Aufgaben gewappnet ist? Nehmen wir als Beispiel die Situation von un- und angelernten Personen. Viele Geringqualifizierte sammeln in ihrem Leben Berufserfahrungen, die sie weiterführend nutzen können. Sie zu Fachkräften zu qualifizieren, ist eine von vielen Möglichkeiten, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Natürlich ist das immer auch eine Herausforderung für den Betrieb, gerade wenn es darum geht, Menschen für eine Weiterbildung freizustellen. Aber es kann sich auszahlen. In den Betrieben schlummert ein großes Potenzial. Und da kommen wir ins Spiel.

Was ist die Aufgabe der LabeW?

Ferber: In Bremen gibt es ein großes Netzwerk an Akteur:innen, die im Bereich der Qualifizierung und Weiterbildung aktiv sind. Ob nun Jobcenter und Arbeitsagenturen, die Kammern, Bildungsträger:innen, Weiterbildungsprojekte oder -beratungsstellen, die Sozialpartner:innen oder weitere Institutionen. Gleichzeitig gibt es diverse Unternehmen mit Bedarf in der Personalentwicklung und viele Arbeitnehmende, die sich weiterentwickeln können und möchten. Wir wollen diese Bedürfnisse und Angebote koordinieren. Passgenaue Lösungen zu finden – darum geht es uns.

Wie gehen Sie dabei vor?

Ferber: Im ersten Schritt schauen wir, was gebraucht wird, machen fortlaufend Bestandsanalysen und ermitteln Bedarfe. Wir führen Gespräche mit allen Partner:innen in Bremen, analysieren und leiten Trends ab. Wir bündeln und steuern die vielen Ansätze im Bereich der Weiterbildung und Qualifizierung, die es in Bremen gibt. Wenn wir Handlungsbedarfe identifizieren, wollen wir aber auch zu neuen Projekten anregen oder verschiedene Partner:innen zusammenbringen, um gemeinsam Impulse zu setzen. Das, was ich beschreibe, geschieht auf verschiedenen Ebenen, ich versuche es mal auf vier Formeln zu bringen:

  1. Wir helfen den Unternehmen bei der Qualifizierung, indem wir Bedarfe ermitteln und sie ganz konkret und individuell dabei unterstützen, das richtige Angebot in Bremen zu finden.
  2. Wir ermitteln Bedarfe und treten in Kontakt mit den Bildungsträger:innen, die die Strukturen und Inhalte für Weiterbildungsangebote schaffen. Wir unterstützen sie darin, zu den Unternehmen und Beschäftigten zu finden.
  3. Wir arbeiten mit der Agentur für Arbeit, den Sozialpartner:innen und Kammern zusammen, wenn es darum geht, die Weiterbildungen zu ermöglichen.
  4. Und wir beraten, ganz wichtig, Weiterbildungsinteressierte, um ihnen neue Wege und Potenziale aufzuzeigen.

Kommen die einzelnen Gruppen denn nicht selbst zusammen?

Ferber: Doch, natürlich. Die Weiterbildung hat ja auch vor uns in Bremen gut funktioniert. Wir sind eine Ergänzung, die zentral, kostenlos und unabhängig Orientierung bietet und Wissen bündelt. Und das für jedermann. Wir stützen die bestehenden Strukturen und fungieren als Scharnier.

Haben Sie ein paar ganz konkrete Beispiele für Ihre Arbeit?

Ferber: Teil der LabeW ist zum Beispiel das Beratungsangebot für eine Nachqualifizierung zur Externenprüfung (NQE). Das ist bereits früher gestartet als die LabeW selbst. Hier helfen wir un- und angelernten Personen mit Berufserfahrung, einen anerkannten Berufsabschluss zu erlangen – ohne die Ausbildung durchlaufen zu müssen.

Wir prüfen in Einzelberatungen und über Kompetenzfeststellungsverfahren die beruflichen Erfahrungen und die persönlichen Voraussetzungen für die Prüfungszulassung und suchen anschließend in Abstimmung mit der Agentur für Arbeit und Bildungsanbietern passende Qualifizierungsangebote, die auf die Abschlussprüfung vorbereiten. Die Prüfung findet dann ganz regulär bei den Kammern statt.

Das ist ein wirksamer Weg, Fachkräfte zu generieren.

Wie kommen die Menschen zu Ihnen?

Ferber: Das ist ganz unterschiedlich. Natürlich ist es wichtig, dass uns die Unternehmen, aber auch die Partner:innen in der Bremer Weiterbildungslandschaft kennen. Nur so können wir unsere koordinierende Rolle einnehmen. Weiterbildungsinteressierte erfahren von uns durch die Agentur für Arbeit, die Jobcenter, das Netzwerk oder – ganz klassisch – über Mund-zu-Mund-Propaganda. Unser Team geht gezielt in die Unternehmen, aber auch zu Arbeitskreisen und Netzwerktreffen. Wir laden alle dazu ein, mit uns in Kontakt zu kommen!

Sie sehen akute Bedarfe – sehen das die Betriebe auch so, mit denen Sie sprechen?

Ferber: Die meisten Unternehmen wissen sehr genau, dass sie etwas tun müssen, um ihre Personaldecke langfristig zu sichern. Nur, sie wissen nicht immer, wo sie ansetzen sollen und was konkret zu tun ist. Wenn wir es schaffen, dass sich die Geschäftsleitung oder die Personalabteilung mit ihrem Bedarf an uns wendet, haben wir unser Ziel erreicht – wir finden dann gemeinsam einen Weg. Das kommt auch Bremen als Ganzem zugute: Wenn wir schnell Veränderungen, Bedürfnisse oder Mängel in bestimmten Branchen erkennen, können wir darauf koordinierend wirken. So wollen wir zusammen mit der Agentur für Arbeit und weiteren Institutionen Arbeitslosigkeit entgegensteuern.

Was macht für Sie persönlich den Reiz Ihrer Arbeit aus?

Ferber: Die ersten Monate haben mir deutlich vor Augen geführt, wie breit und gut aufgestellt die Bildungslandschaft in Bremen ist. Wir haben hier sehr viele motivierte und kompetente Menschen, die für Qualität und Vielfalt in der Weiterbildung stehen.

Und zum anderen: Bremen – aber auch Bremerhaven, wo wir ebenfalls einen Standort haben – profitieren von den kurzen Wegen. Nicht nur, weil man sich schnell treffen kann. Ich glaube, die geringen Distanzen finden sich auch unbewusst im Denken wieder. Die Bremer:innen sind offen für neue Gedanken und für Begegnungen. Das motiviert mich und unser ganzes Team ungemein.

Herr Dr. Ferber, vielen Dank für das Gespräch!

Kontakt zur LabeW:

Bremen:

Wandschneiderstraße 4
4. Obergeschoss
28195 Bremen
Tel.: 0421 1688 9120
E-Mail: info@labew-bremen.de
www.labew-bremen.de

 

Bremerhaven:

Borriesstraße 19
Eingang links
27570 Bremerhaven
Tel.: 0421 1688 9120
E-Mail: info@labew-bremen.de

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