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Leichte Sprache / Deutsche Gebärdensprache

„Stelle den Menschen ein – und trainiere dann die nötigen Skills“

Im Wettbewerb um IT-Fachkräfte kommt der Unternehmenskultur eine zentrale Rolle zu – denn sie entscheidet, ob Mitarbeitende langfristig bleiben. Mit ihren 160 Angestellten setzt die CVS Ingenieurgesellschaft mbH in Bremen auf eine offene, lockere und wertebasierte Atmosphäre – kein Lippenbekenntnis, sondern gelebte Realität.

Die IT-Dienstleisterin CVS hat sich auf Enterprise Resource Planning-Systeme spezialisiert. Ihre eigene „ALPHAPLAN“-Software gewinnt seit Jahren Branchenpreise, das Unternehmen wächst stetig und braucht daher neue Fachkräfte. Im Interview mit Kai Stührenberg, Staatsrat bei der Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation, erläutert Personalentwicklerin Dorothee Pioner, welche Bausteine dazu gehören.

Frau Pioner, im heutigen Bewerbungsmarkt reicht es schon längst nicht mehr, einfach nur Stellenanzeigen zu schalten. Sie setzen auf gezieltes Employer Branding – wie sieht das aus?

Pioner: Wenn wir neues Personal suchen, fragen wir natürlich erst einmal intern, wer wen kennt. Da vergeben wir auch Vermittlungsboni. Aber danach gehen wir nach außen, sei es über LinkedIn, andere Social-Media-Kanäle oder Veranstaltungen und Netzwerke, um wahrgenommen zu werden. Im letzten Jahr habe ich das verstärkt gemacht und es hat sich ausgezahlt.

Welche Netzwerke nutzen Sie da?

Pioner: Wir sind zum Beispiel bei der Plattform Avanja, wo wir an der Recruiting-Challenge teilgenommen haben, im Projekt F.I.T. aktiv oder haben am BMAS-Programm unternehmensWert:Mensch. "Women in Tech" teilgenommen. Wir haben mittlerweile einige Bewerbungen darüber erhalten und ich werde auf Netzwerktreffen direkt angesprochen. Man muss aber wissen: Es ist ein Investment, das sich erst mit der Zeit auszahlt. Wenn man einmal hingeht, bekommt man nicht gleich zehn Bewerbungen. Man muss sich regelmäßig engagieren, sich einbringen und Kontakte knüpfen. Wir haben so bereits zwei Frauen im IT-Bereich und eine weibliche Auszubildende eingestellt.

Das waren jetzt alles Programme, die sich für Frauen in IT-Berufen einsetzen. Wie sieht es denn hier in der Praxis aus? Provokant gefragt: Haben Frauen im Unternehmen andere Ansprüche an einen Job als Männer?

Pioner: Tatsächlich zeigt die Forschung, dass Frauen mehr Wert auf Soft Skills und Flexibilität legen. Aber: Mittlerweile wünschen sich das auch Männer. Und auch die wollen zum Beispiel längst nicht mehr nur für zwei Monate in Elternzeit, sondern sich für ihre Kinder ihre Zeit nehmen.

Ganz wichtig ist auch, dass Führungskräfte das auch vorleben. Bei uns gibt es eben auch Abteilungsleiter, die sagen: „Mein Kind hat jetzt eine Schulveranstaltung, ich bin noch mal weg.“ Nur so können wir eine moderne Firmenkultur leben.

Wie gestalten Sie denn da die Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Unternehmen?

Pioner: Natürlich ist das eine Herausforderung, insbesondere wenn beide Elternteile nach ihrer Elternzeit in Teilzeit arbeiten möchten und vielleicht auch noch aus derselben Abteilung kommen. Aber Unternehmen müssen und können sich darauf einstellen. Neben größtmöglicher Flexibilität hinsichtlich Arbeitszeit oder Arbeitsort für die Mitarbeitenden ist eine Möglichkeit, die wir verfolgen, das Jobsharing: Eine Mutter arbeitet so etwa vormittags bei uns und wir haben einen Mann für den Nachmittag eingestellt. Wir erlauben uns eine gewisse Überschneidung an Stunden, um sicherzustellen, dass sie sich austauschen können. Das funktioniert hervorragend.

Wie planen Sie Ressourcen, wenn eine Elternzeit ansteht?

Pioner: Wir schauen ganz genau hin: Kann der Rest des Teams das auffangen oder benötigen wir neues Personal? Und wenn wir welches brauchen, suchen wir uns Verstärkung. Möglichst über eine unbefristete Stelle, denn befristete Elternzeitvertretungen wollen wir vermeiden. Wir halten es für sinnvoll, mehr Ressourcen zu haben, als man tatsächlich im Alltag braucht, um nicht beim kleinsten Ausfall – aus welchem Grund auch immer – in Not zu geraten.

War das ein Lernprozess für Sie?

Pioner: Ja, klar. Wir haben uns zertifizieren lassen als familienfreundliche Arbeitgeberin. Seitdem gibt es zum Beispiel einen „Elternguide“ im Unternehmen. Ich habe mich dafür ausbilden lassen, die Mitarbeitenden während der Schwangerschaft und in die Elternzeit zu begleiten und für Fragen zur Verfügung zu stehen. Wenn die Person in der Elternzeit ist, dann geht die Betreuung über an einen Elternzeitpaten oder eine Elternzeitpatin, der oder die Kontakt hält, die Mitarbeitenden auf dem Laufenden hält und über wichtige Entwicklungen im Unternehmen informiert. Und deswegen kommen die Menschen auch nach einem Jahr wieder.

Sie legen viel Wert auf Transparenz…

Pioner: Ja, das ist ein aktiver Wunsch der Mitarbeitenden gewesen, den wir in Befragungen ermittelt haben. Das haben wir sehr ernst genommen und entsprechende Maßnahmen ergriffen. Wir nutzen zum einen ein internes Wiki, aber auch Microsoft Teams für die Kommunikation. Tatsächlich hat sich etabliert, dass wir spezielle Kanäle haben, auf denen regelmäßig Beiträge gepostet werden und Kolleginnen und Kollegen miteinander interagieren können.

Und das trägt dann zu einer besseren Firmenkultur bei?

Pioner: Es wäre uns sehr unangenehm, wenn jemand das Gefühl hätte, dass im Unternehmen Dinge passieren, von denen er oder sie nichts weiß. Wir möchten offen umgehen und können zum Beispiel ehrlich sagen, dass wir bestimmte Dinge ausprobieren. Ob es die richtige Entscheidung ist, wissen wir nicht, aber wir geben unser Bestes, um es herauszufinden und machen das transparent.

Im Unternehmen ist die Politik der offenen Tür schon immer fest verankert. Alle Mitarbeitenden können jederzeit in alle Büros reingehen. Wenn es mal nicht passt, ist die Tür geschlossen, aber jede und jeder kann auch den Geschäftsführer ansprechen und sagen, dass er oder sie ein Problem hat, auch wenn es ein privates Problem ist. Dann wird sich ausgetauscht. Wenn Offenheit, der Mut, Dinge zu verändern und Transparenz nicht in der Unternehmens-DNA verankert sind, dann kommen wir nicht weiter. Zur Offenheit gehört aber auch eine sehr gute Fehlerkultur. Wir müssen uns erlauben, Ideen und Veränderungen auch wieder zu verwerfen, wenn wir feststellen, dass sie eben doch nicht zu uns und zum unternehmerischen Kontext passen. Das ist die große Herausforderung für jedes Unternehmen, zum einen für Mitarbeitende attraktiv zu sein und zu bleiben, aber eben auch wirtschaftlich und effizient zu handeln, damit die Zukunft gesichert ist. Und genau damit müssen wir ebenso transparent umgehen.

Ist Firmenkultur etwas, das man als Angestellte oder Angestellter nebenbei mitbekommt oder aktiv verfolgt?

Pioner: Wir organisieren regelmäßig private Treffen wie Weihnachtsfeiern und Sommerfeste, bei denen auch Familienmitglieder und ehemalige Mitarbeiter:innen eingeladen sind. Auch Teamaktivitäten wie Kinobesuche oder Azubi-Treffen fördern den Austausch und stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl. Wir arbeiten auch an unserer Meeting-Kultur und legen großen Wert auf eine offene Kommunikation und eine gute Feedback-Kultur. Bei 160 Mitarbeiter:innen sind unterschiedliche Meinungen unvermeidlich, aber uns ist es wichtig,  vernünftig miteinander zu kommunizieren und uns auszutauschen. Wir sind der Meinung, dass wir dies im Großen und Ganzen gut hinbekommen, aber es gibt immer Luft nach oben und wir streben stets nach Weiterentwicklung.

Wenn jetzt eine neue Mitarbeiterin oder ein neuer Mitarbeiter in dieses Team und in diese Firmenkultur kommen, wie gliedern die sich da ein? Achten Sie schon bei der Auswahl darauf?

Pioner: Unser Motto ist: „Hire for Personality and train for skills“. Früher haben wir einfach nur die Anforderungen aus dem Stellenprofil abgearbeitet. Wenn ja, ging es weiter. Wenn nicht, dann hatten die Bewerbenden leider Pech. In den letzten Jahren haben wir jedoch verstärkt darauf geachtet, dass wir uns auch andere Aspekte anschauen. Wenn jemand eine coole, spannende Persönlichkeit hat, aber nicht perfekt auf die Stelle passt, könnten wir sie oder ihn möglicherweise für eine andere Position in Betracht ziehen. Wenn wir uns für diese Person entscheiden, überlegen wir uns, welche Skills noch fehlen und wie wir sie oder ihn weiterbilden können.

Für uns als Unternehmen ist es wichtig, dass das Bauchgefühl stimmt und die Chemie zwischen der betreffenden Person und dem Team passt.

Wie finden Sie denn heraus, ob es passt? Denn der Lebenslauf verrät diese weichen Faktoren ja gerade nicht.

Pioner: Wir haben ein kurzes Recruiting-Verfahren, das aus einem Online-Interview mit der Personalentwicklung und der betreffenden Person besteht. Das zweite Interview findet hier im Haus statt, mit der Führungskraft und manchmal auch mit dem Team selbst, da diese mit der betreffenden Person zusammenarbeiten werden.

Wichtig ist, dass man sich dabei die nötige Zeit nimmt. Denn nur durch Kommunikation und Empathie können wir wirklich herausfinden, ob jemand zu uns passt. Wir bringen da natürlich auch viel Erfahrung mit, aber letztlich kommt es auf die Intuition an.

Frau Pioner, danke für das Gespräch!

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