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Warum gibt es so wenige Frauen in IT-Jobs?

Trotz Fachkräftemangels sind Frauen in der IT-Branche unterrepräsentiert. Was können effektive Wege sein, Frauen neue Chancen zu eröffnen und für die Betriebe qualifiziertes Personal zu finden? Das untersucht das Projekt F.IT Frauen in IT.

Lediglich 28 Prozent der Jobs in der Bremer Digitalwirtschaft werden von Frauen besetzt, so eine Studie des Instituts Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen im Auftrag des Branchenverbandes bremen digitalmedia e.V. Die europäische Statistikbehörde Eurostat zählt auf Basis einer etwas anderen Grundlage rund 20 Prozent weibliche IT-Kräfte in Deutschland.

Das ist schon seit Jahrzehnten so, die Quoten steigen laut Eurostat nur langsam – warum? „Die Gründe dafür sind vielfältig. Gäbe es eindeutige Ursachen, könnte man sie leicht abstellen, aber hier geht es um gesamtgesellschaftliche Strukturen“, gibt Prof. Maren Petersen vom Bremer Institut Technik und Bildung zu bedenken, das im Bereich Bildung, Arbeit und Technik forscht.

Die Forschung hierzu zeigt, dass verschiedene Faktoren dazu beitragen:

  1. Klassische gesellschaftliche Rollenbilder und die Erziehung darin wirken lange nach und werden noch heute repliziert.
  2. Durch Erziehung und wenig spezifische Förderung im schulischen Umfeld entstehen mangelndes Selbstvertrauen und Hemmschwellen bei jungen Frauen á la „Ich kann kein Mathe“, die technische Berufe erst gar nicht in das Blickfeld rücken lassen.
  3. Mangelnde weibliche Vorbilder in den IT-Berufen führen dazu, dass junge Frauen mögliche Karrierewege nicht sehen.

Weiter geben die bisherigen Ergebnisse des Projekt F.IT Frauen in IT Hinweise darauf, dass folgende Bereiche näher zu untersuchen sind bzw. betrachtet werden sollten:

  1. Für viele ist der „Spaß am Programmieren“ Motivation genug, in die Branche einzusteigen. Andere (sowohl Frauen als auch Männer) wollen aber sehen, wofür sie programmieren anhand von Beispielen oder Zielen, die sie auch persönlich interessieren. Das scheint auch ein Problem bei der Berufsorientierung – also Studienplatz- oder Ausbildungswahl zu sein.
  2. Bei ersten Berührungspunkten mit IT-Themen wie dem Informatikunterricht in der Schule scheinen seltener Beispiele und Arbeitsaufgaben im Vordergrund zu stehen, die diesen Anspruch erfüllen.
  3. Arbeitszeiten und Flexibilität passen oft nicht mit den Lebensrealitäten zusammen. Zwar ist Homeoffice in der IT-Branche verbreitet, aber mangelnde Teilzeitmodelle oder die „Crunchtime“, die besonders aufwendige Arbeitsperiode in manchen IT-Unternehmen kurz vor Projektabgabe, stehen dem entgegen.

Wie sich diese Herausforderungen nachhaltig adressieren lassen, das will das Projekt F.IT Frauen in IT herausfinden, so das Projektteam: „Ziel des Projektes ist es, Strukturen und Maßnahmen in Bremen weiterzuentwickeln sowie als Modellprojekt mögliche Wege aufzuzeigen, wie Politik und Wirtschaft handeln können.“

F.IT ist ein Projekt der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa der Freien Hansestadt Bremen, finanziert aus dem Bremen-Fonds und kofinanziert von der Europäischen Union im ESF-Fonds, mit Laufzeit von 2021 bis Ende 2023. Mit rund 800.000 Euro ausgestattet, ist es eines der wenigen frauenspezifischen Projekte im Bremen-Fonds. Es soll Alternativen für durch die Pandemie weggefallene Jobs von Frauen aufzeigen.

Zahlreiche Bremer Institutionen sind daran beteiligt: bremen digitalmedia als Branchenverband der IT-Wirtschaft, das Institut für Informationsmanagement Bremen GmbH und das Institut Technik und Bildung der Universität Bremen als wissenschaftliche Partner.

Quereinstiege ermöglichen

Zur Halbzeit können sie bereits auf erste positive Ergebnisse zurückschauen:

So wurde zum Beispiel in Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit beim Bremer Weiterbildungsträger cbm ein Schnupperkurs in die Arbeit der IT-Branche näher untersucht. Bei diesem Angebot lernen arbeitslose Frauen vier Wochen lang verschiedene Themenfelder kennen. Im Anschluss ergibt sich für sie die Chance, in vertiefende Weiterbildungskurse zu starten oder bei teilnehmenden Bremer Unternehmen ein Praktikum zu beginnen.

„Gerade für den Quereinstieg eignen sich niedrigschwellige Maßnahmen, um schnell ein Gefühl dafür zu erhalten, ob die IT-Branche einem liegt. Darauf lässt sich aufbauen, um dann die relevanten Qualifizierungen zu schaffen“, so Kai Stührenberg, Staatsrat für Arbeit. „Die teilnehmenden Unternehmen geben uns wertvolles Feedback. So können wir mit F.IT ganz praktische Erfahrungen sammeln, aus denen dann in Zukunft mit den beteiligten Partnern neue Programme erwachsen. Das Projekt hat Modellcharakter.“

Dazu gehören auch erste Lerneffekte. So geht die IT-Wirtschaft aktuell davon aus, dass auch für Praktika (oder besser erfolgreiche Praktika) ein bestimmtes Kompetenzniveau in Hinblick aufs Programmieren Voraussetzung ist. Dies ist in kurzen „Schnupperkursen“ nicht aufzubauen.

Zudem fällt es vor allem den klein- und mittelständischen Unternehmen bisher schwer, Praktikumsangebote zu schaffen, aufgrund der unsicheren Wirtschaftslage, mangelnden Ressourcen und teilweise noch andauernden Homeoffice-Lage, die eine persönliche Betreuung schwer mache.

„Der Ansatz ist trotz der Hürden vielversprechend und wir werden in Zukunft mit weiteren Unternehmen sprechen und dabei Bedürfnisse und Teilnehmerinnen ideal matchen. Dabei wollen wir auch der IT nahe Branchen ansprechen, da auch hier der Bedarf an IT-Fachpersonal groß ist“, bestätigt auch Dr. Stefan Welling vom Institut für Informationsmanagement Bremen GmbH (ifib).

Früh das Interesse für IT wecken

Ein zweiter Strang im F.IT-Projekt betrachtet die Ausbildung und Möglichkeiten, junge Mädchen für eine berufliche Erstausbildung in der IT zu begeistern. Hier kooperiert das Projekt mit dem Schulzentrum Utbremen und dem dortigen berufsqualifizierenden Ausbildungsgang des/der Mathematisch-technischen Assistenten/in.

„Hier wollen wir die Schülerinnen befragen lassen, schauen, in welche Berufs- und Ausbildungsfelder aktuelle Jahrgänge nach ihrer Ausbildung wechseln und wie sich Ausbildungsinhalte aktualisieren lassen“, so Hannes Ischebeck, Schulleiter am Schulzentrum Utbremen, der als Partner am Projekt teilnimmt. „Ziel ist es, die Ausbildung attraktiver zu gestalten, indem wir eine zielgruppengerechte Ansprache schaffen.“

Ein neues Bild in der Öffentlichkeit

Als ein weiteres Aufgabenfeld hat sich das Projekt das öffentliche Image der IT-Branche vorgenommen. Denn das ist oft noch männerdominiert – ob in Werbungen oder in öffentlicher Berichterstattung.

Hier engagiert sich der Medien- und IT-Branchenverband bremen digitalmedia. Mit der eigenen Internet-Plattform Avanja, ebenfalls finanziert durch die Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa. Mit Avanja lenkt der Branchenverband nicht nur Aufmerksamkeit auf das Thema, sondern bietet auch konkrete Lösungen an, die von Unternehmen direkt umgesetzt werden können. „Es gibt in Bremen unzählige Role Models, interessante Lebensgeschichten und eine wachsende weibliche IT-Community. Indem wir diese sichtbarer machen, erhalten mehr junge Frauen Einblick in das IT-Arbeitsumfeld“, so Björn Portillo, 1. Vorsitzender des Verbands. „Gleichzeitig zeigen wir den Unternehmen, wie sie sich offener und attraktiver für Frauen aufstellen können.“ Auch Kooperationen mit weiteren Initiativen wie etwa den „Digital Media Women“ oder den „Women in AI and Robotics“ seien künftig denkbar.

Des Weiteren hat F.IT eine eigene Website an den Start gebracht, zu der auch die interne Onlineplattform F.ITranet gehört. Über die Website bremerinnen-in-it.de können sich Unternehmen und interessierte Frauen über das Projekt informieren und mit dem Projektteam in Kontakt kommen. Im F.ITranet finden Unternehmen außerdem weitere Infos über Best-Practices oder Förderprogramme, die ihnen die Einstellung von Quereinsteigerinnen erleichtern.

Reiches Qualifizierungsumfeld in Bremen involvieren

Gerade der Vernetzungsaspekt werde in Zukunft noch weitere Bedeutung bei F.IT erhalten, bestätigt auch Björn Portillo von bremen digitalmedia. So wird z. B. die Landesagentur für berufliche Weiterbildung LaBeW ihre Expertise in der Vernetzung von Akteuren im Bremer Qualifizierungssystem einbringen.

Bis zum Ende der Projektlaufzeit will F.IT somit verschiedene Wege ergründen, wie die IT-Wirtschaft mehr weibliche Fachkräfte gewinnen könne. „Wir müssen flexible und gleichzeitig passgenaue Systeme entwickeln. Mit dem Modellprojekt F.IT legen wir hierzu die Grundlage, in dem wir die bisherigen Strukturen in Wirtschaft und Ausbildung analysieren und praxisnah erproben können, welche Angebote wirklich Erfolg versprechen“, ergänzt Stefan Welling.

Dass dieser Ansatz vielversprechend ist, bestätigt auch Bettina Wilhelm, Leiterin der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF). „Es ist eine Herausforderung, den Weg von Frauen in die IT-Berufe zu bahnen. Es gibt viele Frauen, die ein Interesse an einem Job in der Branche haben, aber sie finden nicht in die Unternehmen. Das Projekt soll klären, wo genau die Hürden für Frauen beim Einstieg in die IT-Branche liegen und Maßnahmen entwickeln, diese abzubauen. Bremerinnen und IT-Unternehmen werden von dem Projekt nachhaltig profitieren, denn die Branche braucht dringend Fachkräfte. Sie muss aber auch ihren Teil dazu beitragen, diese zu entwickeln.“

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