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Wie das Land Bremen die Jugendarbeitslosigkeit senkt und Betriebe neue Azubis finden

Eine Person sitzt vor Computer-Bildschirmen

Fachkräftemangel einerseits und Jugendarbeitslosigkeit andererseits – wie passt das zusammen? In Bremen schließen zwei Ausbildungsverbünde eine Lücke und bringen Jugendliche in die Ausbildung. Wie die 20-Jährige Gaureka Selvaratnam – die in Bremerhaven jetzt Bürokauffrau wird.

„Die Vielfalt, die unterschiedlichen Aufgaben und die verschiedenen Projekte, an denen ich mitwirken kann – das begeistert mich an der Ausbildung“, erzählt die 20-Jährige Gaureka Selvaratnam am Telefon. Sie macht eine Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement bei der BERUFLICHE BILDUNG BREMERHAVEN GmbH (BBB). Über eine Freundin erhielt sie den Tipp, sich beim Bremerhavener Seestadtverbund, der von dem Bildungsträger koordiniert wird, zu bewerben – was dann auch klappte. Im ersten Lehrjahr hat sie zudem entschieden, noch eine Zusatzqualifikation als Europakauffrau hinzuzufügen. Und hofft, nach der Ausbildung erst einmal einen Arbeitsplatz im Land Bremen zu finden.

Außerbetriebliche Ausbildung: Der alternative Weg ins Berufsleben

„Ihre Chancen stehen gut. Wer bei uns ausgebildet wird, erhält später mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Arbeitsplatz“, sagt ihr Chef Andreas Nowacki, Leiter der Einrichtung und zugleich auch Geschäftsführer des Seestadtverbundes. Und mit etwas Glück sogar schon etwas vorher: Denn die Jugendlichen, die bei ihm und weiteren außerbetrieblichen Trägern im Bundesland eine Ausbildung antreten, sollen am besten schon während ihrer Ausbildung in einen Wirtschaftsbetrieb wechseln. Und damit direkt Kontakte für eine spätere Übernahme knüpfen.

Aber was ist das überhaupt, eine außerbetriebliche Ausbildung? Und warum gibt es sie? „Wir bilden junge Menschen aus, keinen betrieblichen Ausbildungsplatz gefunden haben und häufig mit Problemlagen oder besonderen Bedarfen zu uns kommen. Wir können das auffangen, haben den sozialpädagogischen Background. In unseren Ausbildungsstätten erhalten sie eine ganz normale Ausbildung mit geprüftem Abschluss, nur eben nicht in einem Wirtschaftsbetrieb“, führt er aus.

Besondere Bedarfe auffangen

Eine Lösung, die so elegant wie nötig ist. Denn die Jugendarbeitslosigkeit ist in Bremen und Bremerhaven vergleichsweise hoch. Und auch wenn Betriebe händeringend nach Auszubildenden suchen, finden Ausbildungsplatzsuchende und Betriebe nicht immer zusammen. „Vielen arbeitslosen Jugendlichen fehlen schulische Abschlüsse, sie haben Schwierigkeiten im Bereich der Sprache, aber auch bei den Soft Skills wie Pünktlichkeit, Verlässlichkeit und Kritikfähigkeit. Das steht einer Anstellung aus Sicht vieler Betriebe im Wege“, so Nowacki weiter. Gleichzeitig sind die Anforderungen der Betriebe häufig sehr hoch und sehr speziell. Hier müssen sich beide Seiten noch mehr annähern.

Auch wenn sich viele Betriebe bereits sehr engagiert zeigen und große Anstrengungen unternehmen, Jugendliche für sich zu gewinnen, befürchten sie oft, dass die Auszubildenden nicht ausreichende Voraussetzungen mitbringen und wollen oder können diese Lücken nicht füllen. Und dann bleiben offene Ausbildungsplätze mitunter unbesetzt. „Ein Kleinbetrieb mit einem Meister, einer Gesellin und einem Azubi kann sich nicht so intensiv um den Auszubildenden kümmern, wie es ein Konzern kann oder wie wir es können mit unseren sozialpädagogischen Kolleginnen und Kollegen. Da fehlen einfach die Kapazitäten. Und dann kommen Betrieb und Ausbildungssuchende:r einfach nicht zusammen.“ Gleichzeitig suchen gerade größere Betriebe häufig nach der oder dem optimal passenden Auszubildenden, die oder den es so vielleicht gar nicht gibt. Eine Lücke die es zu schmälern gilt.

Ausbildungsverbünde koordinieren außerbetriebliche Ausbildung in Bremen

Um neue Perspektiven für benachteiligte Jugendliche zu schaffen, hat der Bremer Senat 2020 zwei Ausbildungsverbünde geschaffen: Die Ausbildungsgesellschaft Bremen mbH (ABiG) und „Ausbildung Plus im Seestadtverbund“ in Bremerhaven, angesiedelt bei der BBB.

Die beiden Projekte mit einem Volumen von insgesamt 52 Millionen Euro bilden ein Dach für die außerbetrieblichen Ausbildungsmöglichkeiten im Bundesland. Und das mit großem Erfolg bisher: 212 Jugendliche werden derzeit in Bremen in 18 Berufen ausgebildet, in Bremerhaven sind es 215 Azubis in insgesamt 29 Berufen aus dem gesamten Spektrum des dualen Ausbildungssystems.

„Wir stehen in engem Kontakt zu Schulen, zum Jobcenter und zur Jugendberufsagentur, aber auch zu den Betrieben, Innungen und Kammern“, erklärt Frank Rehfeldt, der die ABiG in Bremen leitet. Im Gegensatz zur BBB seines Kollegen Nowacki in Bremerhaven ist die ABiG in Bremen aber selbst nicht als Trägerin aktiv, sondern arbeitet mit insgesamt neun Bildungsträgern zusammen, die Jugendliche außerhalb des Betriebs ausbilden.

 

Zweigeteiltes Bild aus Restaurant und Küche

Ausbildungen in der Gastronomie gehören zum Spektrum der beiden Ausbildungsverbünde

 

Das Ziel ist es, die Jugendlichen in die Wirtschaft bringen

Auch für Rehfeldt gibt es ein oberstes Ziel: Jugendliche in die Betriebe zu bringen. „Das Matching von Betrieben und Jugendlichen, das früher über Messen und Berufsorientierungsangebote stattgefunden hat, ist besonders durch die Corona-Zeit zu kurz gekommen. Mit unseren Ausbildungsverbünden schaffen wir es, dass auch die Jugendlichen an eine Ausbildung gelangen, die bisher keinen Platz gefunden haben“, sagt der frühere Hoteldirektor. Oder die durch Insolvenzen und Kurzarbeit während der Corona-Pandemie keine Chance auf einen Ausbildungsplatz hatten.

Damit die Ausbildungen bei den einzelnen Trägern nicht parallel zur Wirtschaft verlaufen, müssen alle Azubis regelmäßige Praktika in Partnerbetrieben machen. „So erhalten unsere Jugendlichen auch ganz praktische Erfahrungen und wissen, welche Anforderungen die reale Wirtschaft an sie stellt“, so Rehfeld weiter. Idealerweise läuft es dabei so gut, dass die Betriebe die Fachkräfte in spe gleich übernehmen. Das sei jederzeit möglich und ausdrücklich erwünscht.

Sind diese Anstrengungen von Erfolg gekrönt – ein Jugendlicher oder eine Jugendliche wechselt vom Träger in die Wirtschaft – geht die Betreuung aber noch weiter. Denn dank eines Patenmodells, das erstmals in Bremen umgesetzt wird, haben die Jugendlichen dann weiterhin jederzeit eine pädagogisch ausgebildete Ansprechperson, an die sie sich auch während der betrieblichen Ausbildung wenden können. „Sie kann bei Konflikten oder Hürden im Arbeitsalltag unterstützen. Wir lassen niemanden fallen,“ so Rehfeldt.

Alle ziehen in Bremen an einem Strang

„Über 400 Jugendliche in der Ausbildung – das ist ein großer Erfolg für das erste Jahr der beiden Ausbildungsverbünde. Gerade in diesen Zeiten ist es wichtig, dass wir alles tun, um möglichst viele junge Menschen in eine Ausbildung zu bekommen. Die enge Zusammenarbeit von Wirtschaft und Institutionen zeigt, dass diese Form der Qualifizierung in Bremen ankommt“, so Kai Stührenberg, Staatsrat für Arbeit der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa. Ein Projekt, das auch die Wettbewerbsfähigkeit Bremens stärke und dem Fachkräftemangel entgegenwirke.

Dem können Nowacki und Rehfeldt nur beipflichten. Sie organisieren regelmäßigen Austausch, zum Beispiel in Form von Unternehmensstammtischen und nehmen an möglichst vielen Netzwerkveranstaltungen teil, um ihre Ausbildungsverbünde vorzustellen. Zudem sind auch weitere Formate zum Kennenlernen zwischen Verbundauszubildenden und Betrieben geplant. Darunter etwa ein Speeddating in Bremen und Werkstattgespräche und Bewerbungsvideos in Bremerhaven.

„Wir werden von allen Akteuren und Betrieben mit offenen Händen empfangen und haben ein gutes Miteinander auf allen Ebenen, besonders auch zur Politik hin, so unterstützen uns die Senatorin und der Staatsrat tatkräftig. Gemeinsam können wir es schaffen, Jugendlichen eine neue Perspektive zu bieten“, so Rehfeldt.

Dem stimmt auch Nowacki zu: „Wir wollen die vermeintlich nicht ausbildungsfähigen jungen Menschen auf die Realität vorbereiten. Die, die wir außerbetrieblich ausbilden, erhalten zu sehr großen Teilen nachher auch einen Job – das wollen wir auch in Zukunft so weiter fortsetzen.“

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