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EU-Strategie gegen Antisemitismus

Innenaufnahme einer Synagoge

EU-Kommission veröffentlicht erstmals EU-Strategie gegen Antisemitismus und zur Förderung jüdischen Lebens

Am 5. Oktober 2021 hat die Europäische Kommission eine Mitteilung veröffentlicht, in der sie die erste EU-Strategie zum Kampf gegen Antisemitismus und zur Förderung jüdischen Lebens vorstellt. Die Strategie gilt für den Zeitraum von 2021 bis 2030.

Dies erfolgt vor dem Hintergrund durchaus besorgniserregender Umfragen und Vorfälle zum Antisemitismus in Europa: so weist die Kommission einleitend z.B. darauf hin, dass jede:r zweite Europäer:in Antisemitismus als Problem ansieht, und 9 von 10 Jüdinnen und Juden der Auffassung sind, dass der Antisemitismus in ihrem Land zugenommen hat.

In der Strategie zeigt die Kommission auf, wie sie im Verein mit den Mitgliedstaaten zwischen jetzt und 2030 Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen bekämpfen und auf eine Europäische Gesellschaft ohne Antisemitismus hinwirken will. Gleichzeitig will sie gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und mithilfe diverser bereits existierender Förderinstrumente daran arbeiten, jüdisches Leben in Europa und der Welt zu fördern.

Sie setzt dabei die Schwerpunkte in folgenden Bereichen:

Im Kampf gegen alle Formen von Antisemitismus legt sie einen starken Fokus auf ein gemeinsames und koordiniertes Vorgehen gegen Hate Speech und Hassverbrechen, unter besonderer Berücksichtigung von Antisemitismus im Netz, ein Phänomen, das seit Beginn der Pandemie drastisch zugenommen hat. Weiterhin sagt sie antisemitischer Diskriminierung den Kampf an, indem sie zunächst darauf hinweist, welche EU-Instrumente und Einrichtungen es bereits gegen Diskriminierung mit rassistischem Hintergrund gibt, und wie diese künftig erfolgreicher gegen antisemitische Diskriminierung eingesetzt werden können. Dabei thematisiert sie insbesondere auch das Problem rassistischer und ethnischer Stereotypisierungen in den Medien, in der Zivilgesellschaft und in Minderheitengruppen.

Wenn es um den Schutz jüdischen Lebens in der EU geht, liegt ein gewichtiger Schwerpunkt im Bereich Polizei- und Strafrecht, und somit überwiegend in der Hand der Mitgliedstaaten. Die Europäische Kommission weist allerdings darauf hin, dass der Kampf gegen gewalttätigen Extremismus und Terrorismus in der EU eine gemeinsame Aufgabe ist, und, die im Einklang mit den Werten und Prinzipien der EU angegangen werden muss. Sie verweist dabei insbesondere auf die Umsetzung der Pläne für die Sicherheitsunion 2020 bis 2030, die z.B. Maßnahmen zum Schutz des öffentlichen Raumes – und das schließt natürlich auch religiöse Stätten ein – vorsieht, und schlägt Maßnahmen vor, wie insbesondere in den Sicherheitsbehörden ein besseres Bewusstsein für die Problematik geschaffen werden kann.

Zur Förderung jüdischen Lebens und der Bekenntnisfreiheit schlägt sie Maßnahmen vor, mit denen die Kenntnis über jüdisches Leben und jüdische Traditionen in der europäischen Bevölkerung gesteigert werden kann, und weist dabei auf die wichtige Rolle hin, die hier zum Beispiel der Sport oder die Medien spielen können (was die Europäische Kommission z.B. durch das Kooperations­abkommen mit der UEFA zum Kampf gegen Antisemitismus für die Jahre 2022-2024 fördert).

Auch stellt die Europäische Kommission dar, dass das kulturelle jüdische Erbe einen wichtigen und untrennbaren Teil des europäischen kulturellen Erbes darstellt, aber vielfach durch die Auslöschung jüdischer Gemeinden im Holocaust in schlechtem Zustand ist und verloren zu gehen droht. Um dieses kulturelle Erbe zu bewahren, ermutigt die Kommission Europäer:innen, bei Förderanträgen, z.B. bei der Bewerbung als Europäische Kulturhauptstadt, auch den Aspekt der Geschichte ihrer jüdischen Mitbürger:innen einzubeziehen.

Eine zentrale Rolle bei der Stärkung jüdischen Lebens in Europa spielen natürlich die Bereiche Bildung, Forschung und Erinnerungskultur, wo ebenfalls den Mitgliedstaaten eine führende Rolle zukommt. Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten demgemäß dazu auf, ihren Bürger:innen Bildungsangebote mit Blick auf jüdisches Leben, Antisemitismus und den Holocaust und den jüdischen Beitrag zum europäischen Kulturerbe zu machen, und weist darauf hin, wie dies auf europäischer Ebene unterstützt werden kann, z.B. im Rahmen des Europäischen Bildungsraumes (vgl. COM(2020) 625 final) und des Europäischen Forschungsraums (COM (2020) 628 final), im Pakt für Forschung und Innovation oder im Digitalen Bildungsplan für die Jahre 2021 bis 2027. Bei letzterem stehen vor allem die Aspekte Kampf gegen Desinformation und Stärkung der Digitalkompetenz zur Förderung kritischen Denkens im Vordergrund.

Auch das Europäische Jahr der Jugend 2022 und die soeben veröffentlichte Ausschreibung von DiscoverEU bieten jungen Menschen einerseits Anlässe und andererseits Fördermöglichkeiten, um sich mit Themen wie Holocaust und jüdischem Leben in Europa gestern und heute auseinanderzusetzen.

Gerade im Bereich der Bildung über den Holocaust steht die Welt vor der Tatsache, dass die Menschen, die den Holocaust überlebt haben und darüber persönlich Zeugnis ablegen können, mittlerweile bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr am Leben sind. Es müssen daher neue Wege gefunden werden, wie der Holocaust in seiner Einzigartigkeit auch nachfolgenden Generationen vermittelt werden kann, z.B. durch neue Formen des Gedenkens, durch die Sichtbarmachung an Gedenkorten, aber auch durch digitale Komponenten.

Gleichzeitig weist die Europäische Kommission darauf hin, dass Holocaustleugnung, -verzerrung und –trivialisierung zunehmen und benutzt werden, um Hass gegen jüdische Bürger:innen zu schüren. Die Europäische Kommission arbeitet daher mit der der Internationalen Allianz zum Holocaust Gedenken (International Holocaust Remembrance Alliance, IHRA) und der UNESCO an der der Entwicklung eines Best-Practise-Handbuchs und Social Media Kampagnen, und ermutigt die Mitgliedstaaten, Bewusstmachungskampagnen gegen Holocaustleugnung, -verzerrung und -trivialisierung durchzuführen.

Auch im Verhältnis zu Drittstaaten sieht sich die Europäische Kommission gemeinsam mit den Mitgliedstaaten in der Verantwortung, Antisemitismus auf allen Ebenen entgegenzutreten, zum Beispiel in internationalen Organisationen und Gremien, aber auch im Rahmen der Umsetzung ihrer Förderinstrumente wie des Instrument zur Nachbarschaftszusammenarbeit, Entwicklungszusammenarbeit und Internationalen Zusammenarbeit (NDICI). Eine besondere Rolle kommt in dieser Hinsicht dem EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte, Eamon Gilmore, und dem EU-Sonderbeauftragten für die Förderung von Religions- und Weltanschauungsfreiheit außerhalb der Europäischen Union, Christos Stylianides zu, aber auch der Partnerschaft mit Israel.

Auch außerhalb der EU können EU-Initiativen und Fördermittel eingesetzt werden, um jüdisches Kulturerbe zu schützen und zu bewahren und das Gedenken an den Holocaust wach zu halten.

Wie geht es weiter?

Die Umsetzung der Antisemitismus-Strategie sieht die Europäische Kommission in gemeinsamer Verantwortung der EU-Institutionen und der Mitgliedstaaten. Den Ausschuss der Regionen und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss ermutigt sie, mit der regionalen und lokalen Ebene und den Sozialpartnern den Dialog darüber aufzunehmen, wie Fortschritte in Richtung auf eine europäische Gesellschaft ohne Antisemitismus gemacht werden können. Denn gerade der regionalen und lokalen Ebene, aber auch der Zivilgesellschaft (vertreten zum Beispiel durch die Sozialpartner) kommt mit Blick auf die Umsetzung der Strategie natürlich eine wichtige, wenn nicht sogar eine entscheidende Rolle zu.

Die Europäische Kommission wird die Umsetzung der Strategie darüber hinaus aktiv durch die Vergabe von Fördermitteln vorantreiben und ermutigt die Mitgliedstaaten, jüdische Organisationen und Gemeinschaften, aber auch die Zivilgesellschaft, die entsprechenden Programme zu nutzen.

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