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Tischlein deck dich: Mit künstlicher Intelligenz wird’s möglich

Professor Michael Beetz stammt aus der Pfalz und ist in einem Winzerdorf an der Weinstraße aufgewachsen. Als Kind einer Arbeiterfamilie machte er sein Abitur. Er sollte einen Beruf erlernen, der ihm ein sicheres Einkommen ohne Rückenschmerzen im Alter bringen sollte. Weil sein Cousin Informatik studierte und die Universität Kaiserslautern die nächstgelegene Uni war, schrieb sich Beetz 1981 ebenfalls dort ein. Dieser Schritt machte aus ihm einen lebenslangen Fußballfan des 1. FC Kaiserslautern – und einen der weltweit einflussreichsten Professoren für künstliche Intelligenz (KI).

Beetz studierte bei Professor Jörg Siekmann, der 1983 als erster deutscher Professor für künstliche Intelligenz an die Uni Kaiserslautern berufen wurde und 1989 das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) mitgegründet hat. „Professor Siekmann hat mich für die KI begeistert und sehr geprägt“, sagt Beetz. Er hat sich das fürs Studium nötige Geld durch Semesterferienjobs in Forschungsabteilungen verdient. „Ich war mehrere Jahre bei Triumpf-Adler in Nürnberg und habe dort auch meine Diplomarbeit geschrieben. Als Hersteller von Schreibmaschinen haben sie die digitale Welt gesucht und waren einer der Vorreiter in der intelligenten Funktionalität in der Textverarbeitung.“

KI im Ausland: Forschung im Mittelpunkt

Es war auch Professor Siekmann, der Beetz als Gaststudent an die Universität Edinburgh vermittelte. „Er hatte dort viele Kontakte und ich wurde auf seine Empfehlung hin in eine der weltweit führenden KI-Gruppen eingeladen. Ich war das erste Mal im Ausland, mein Englisch war eine Katastrophe – aber es war eine Riesenerfahrung. Vor allem zu erleben, dass es in Edinburgh keine Rolle spielte, wer Professor, Doktorand oder Student war. Die Forschung stand im Mittelpunkt, es ging darum, sich gegenseitig intelligent zu fordern und dadurch weiterzukommen“, erzählt Beetz.

Yale University: Wissenschaft als Wert schätzen gelernt

Diesen Ansatz der gemeinsamen Forschung im Sinne der Sache, dieses gegenseitige Fordern hat Beetz auch Mitte der 1990er Jahre an der Yale University in New Haven, USA erlebt. Dort hat er auch promoviert. „Wir Doktoranden wurden extrem gefordert. Wir haben mehrere Paper pro Woche gelesen und diese mit den Professoren diskutiert. Sie haben ständig bewertet, ob wir sie durch unsere Fragen und Ideen weiter bringen. Wer diese Anforderungen nicht erfüllte, flog raus. Das war anstrengend, aber ich habe dadurch Wissenschaft als Wert erst richtig schätzen gelernt“, erzählt Beetz.

In Yale hat er das Paradigma, Probleme in der KI anzugehen, verinnerlicht. „Es geht immer um die Frage, was ist das eigentliche Problem? Und warum kann ich es lösen?“ Seitdem ist Beetz’ Vision, einen Roboter zu entwickeln, der komplexe Alltagssituationen wie kochen oder Tisch decken erfolgreich durchführt. „Der Roboter muss nicht nur wissen, dass ein Ei kaputt geht, wenn man zu fest drückt – der Roboter muss dieses Wissen auch im richtigen Moment anwenden. Die Frage ist: Wie schreibt man ein Programm, das diese Brücke schlagen kann?“

TU München: Extra-Kochkurs für Roboter

2000 habilitierte Beetz an der Universität Bonn. Zusammen mit den heutigen Robotik-Professoren Wolfram Burgard, Sebastian Thrun und Dieter Fox arbeitete Beetz in einer Forschungsgruppe an einem Roboter, der Besucher durch ein Museum führte. 2001 ging Beetz an die Technische Universität München, wo er elf Jahre lang als Professor sowie Leiter der Forschungsgruppe „Autonome Intelligente Systeme“ tätig war. 2006 holte er das Exzellenzcluster CoTeSys nach München und wurde stellvertretender Sprecher des Clusters. Mehr als 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler forschten an intelligenten Maschinen, die Menschen als Service-Roboter unterstützen und sich flexibel auf ihre Umgebung einstellen. „Wir sind bei Wikihow alle Rezepte durchgegangen und haben uns für Pfannkuchen entschieden“, erzählt Beetz. „Der Roboter konnte den Teig in die Pfanne gießen, den Pfannkuchen heben, drehen und auf einen Teller legen. Die Fragen waren spannend: Wie muss man seinen Körper bewegen, damit man sein Ziel erreicht? Und wie kann der Roboter dieses Wissen anhäufen und umsetzen?“

Bremen: Forschung für den Nutzen

2012 trat Beetz seine Professur für Künstliche Intelligenz im Fachbereich Informatik der Universität Bremen (KI)an. Neben dem gemeinsamen Forschen und der freien Verfügbarkeit von Forschungsergebnissen war und ist ihm ein weiterer Aspekt wichtig: Der Nutzen von KI außerhalb der Labore. „Die Forschung kann die tollsten Dinge entdecken, aber sie muss auch einen gesellschaftlichen Nutzen haben.“ Der ultimative Test für Nützlichkeit sei, dass jemand bereit sei, für Forschungsresultate Geld zu bezahlen.

Beetz ist Sprecher des Sonderforschungsbereiches (SFB) EASE. EASE steht für Everyday Activity Science and Engineering, Ziel ist eine neue Generation von Modellen für Robotersteuerung. „Wenn Roboter lernen, umgangssprachliche Anweisungen richtig zu interpretieren, ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten für die Erhöhung der Lebensqualität – zum Beispiel für Menschen mit Behinderungen oder für Senioren", sagt Beetz. Der SFB wird seit 2017 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert, im Mai 2021 wurde eine Verlängerung der Förderung um weitere vier Jahre beschlossen. Für die KI-basierte Robotikforschung am Standort Bremen war dies ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur dauerhaften Etablierung in der internationalen Spitzengruppe.

Knowledge4Retail: Coole Sache für Bremen

Beetz leitet heute das Institut für Künstliche Intelligenz (IAI) der Universität Bremen und ist Co-Koordinator des universitären Wissenschaftsschwerpunkts „Minds, Media, Machines“. Darüber hinaus ist er einer der Initiatoren des Projekts Knowledge4Retail, das eine neue Generation von Informationssystemen für den Handel und dessen Supply Chains als digitale Innovationsplattform und Ökosystem etablieren will. „Das ist für Bremen eine richtig coole Sache“, sagt Beetz. „Wir sind eine tolle Bremer Gruppe, die alle Kerntechnologien abdeckt.“ Außer der Uni Bremen gehören zum Beispiel das DFKI, neusta software development und Teamviewer (ehemals Ubimax) dazu.

Wissenschaftspreis 2021 und Ehrendoktorwürde

Das IAI arbeitet daran, Roboter zur Unterstützung der logistischen Tätigkeiten im Einzelhandel zu befähigen. Das Auffüllen der Regale ist dabei eine der zentralen Aufgaben. Die Technologie, die alledem zugrunde liegt, nennt Beetz „Semantische Digitale Zwillinge“. Dabei handelt es sich um realitätsgetreue digitale 3D-Replikate von Filialen, die es ermöglichen, beispielsweise Informationen über den Standort und die verfügbare Menge eines Produkts in Echtzeit abzurufen. Für dieses Projekt hat Beetz den Wissenschaftspreis 2021 in der Kategorie „Bestes Lehrstuhlprojekt“ bekommen. Der Preis wird von der EHI Stiftung und dem Unternehmen GS1 Germany für Pionierleistungen im Bereich Handel und Konsumgüterindustrie vergeben.

Bereits 2019 hatte Beetz die Ehrendoktorwürde der schwedischen Universität Örebro erhalten. 2020 belegte er in einem Ranking der renommierten Tsinghua University (China) Platz 4. Er zählt damit zu den international einflussreichsten Forschern in der KI-basierten Robotik. Das Ranking basiert auf einer Analyse von Beiträgen für die wichtigsten Fachpublikationen und Konferenzen der vergangenen zehn Jahre.

Bremen: Exzellenzcluster in der KI wäre ein Riesenmotor

Beetz setzt auch in Zukunft auf Open Source Forschung – und sieht dabei die Fäden in Bremen zusammenlaufen. „Bremen hat das Potenzial, auf der internationalen Forschungsebene oben mit dabei zu sein“, sagt Beetz. „Grundlagenforschung, Innovation und Transfer liegen nirgendwo so eng zusammen wie in der KI, alles ist eng verzahnt. In Bremen haben wir so viel: Forschungseinrichtungen, das KI-Transfer-Zentrum, das Cluster BREMEN.AI, eine der KI gegenüber aufgeschlossene Wirtschaft und eine Start-up-Kultur mit spannenden Unternehmen.“ Allen gemeinsam sei der Wunsch, die KI voranzutreiben. Das KI-Transfer-Zentrum steht im Fokuspunkt des Bremer KI-Ökosystems und ist Instrument für den Transfer der Technologie in die Bremer und Bremerhavener Wirtschaft. Später in dem derzeit im Bau befindlichen DIGITAL HUB Industry beheimatet, hat es derzeit im Bremer IAI-Institut seine Zelte aufgeschlagen.

„Bremen ist ein cooler Platz für KI, und aus den Chancen müssen wir etwas machen. Wir wollen in diesem Bereich auch die Exzellenzinitiative wieder nach Bremen bringen – ein Exzellenzcluster in diesem Bereich wäre ein Riesenmotor auch für den wirtschaftlichen Auftrieb Bremens“, sagt Beetz.

Weitere Themen und Informationen rund um künstliche Intelligenz in Bremen finden Sie hier

Autorin: Nina Svensson

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