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Wenn die KI um einen Job bettelt

Max Gath

Max Gath

Künstliche Intelligenz (KI) ist in der Logistik eines der großen Zukunftsthemen. In Bremen arbeitet ein Unternehmen daran, mit KI-Systemen die Arbeit für Logistikfachleute zu vereinfachen.

Wenn Dr. Max Gath in Bremen an einem Alttextilcontainer vorbeikommt, schätzt er unwillkürlich dessen Gewicht. Ist er voll oder leer? Keine wirklich wichtige Frage für einen Softwareexperten, für die Fahrer der Abhol-Lkws des Bremer Wertstoffsammlers BREWELO jedoch schon. Je gefüllter die Container sind, desto mehr Touren müssen sie fahren, um alle Container zu leeren.

Wäre es nicht gut, wenn sich vorhersagen ließe, wie voll die Container sind, um optimalere Routen für die Fahrerinnen und Fahrer zu planen? Genau das ist das Ergebnis eines Projekts, das Gath und sein Unternehmen XTL Kommunikationssysteme mit dem Bremer Entsorgungsbetrieb BREWELO durchgeführt haben.

„Mit der Planung auf Basis künstlicher Intelligenz können wir zwischen zehn und 20 Prozent aller gefahrenen Kilometer einsparen“, schätzt der Unternehmensgründer. Das in Kooperation mit der BREWELO entwickelte System analysiert nicht nur Daten vergangener Touren, sondern berücksichtigt weitere Parameter. Das können zum Beispiel Wetterdaten sein. „Regnet es, kann die Kleidung im Container nass werden und damit das Gesamtgewicht deutlich erhöhen – was sich wiederum auf die maximale Zuladung des Lkws auswirkt.“

Das Problem des Handlungsreisenden

Das System ist ein Beispiel für die Anwendung künstlicher Intelligenz in der Logistik. Mit dem 2014 gegründeten Unternehmen hat sich Gath vor allem auf die Routen- und Tourenoptimierung mittels KI konzentriert. „Der Bereich gehört zu den schwierigsten Suchproblemen der Informatik, denn die Anzahl der möglichen Lösungen ist selbst bei sehr kleinen Touren gigantisch“, so Gath.

Die Herausforderung ist nicht neu: Als „Problem des Handlungsreisenden“ ist es bereits seit mehr als einem Jahrhundert bekannt, 1930 formulierte es der österreichische Mathematiker Karl Menger erstmals in Formeln. Es geht dabei um die Frage, welcher der kürzeste Weg zwischen einer beliebigen Anzahl an Punkten ist – durchaus interessant etwa für Handelsvertreter, die viel durchs Land reisen. Daher rührt auch der Name. Um die Dimension des Problems vor Augen zu führen: Wenn man nur die 15 größten Städte Deutschlands in einer Tour abfahren will, gibt es 44 Millionen mögliche Reisewege – doch welcher ist der kürzeste?

Das Problem des modernen Handlungsreisenden

Gath und sein Team erhöhen dabei sogar den Schwierigkeitsgrad. In seinen Projekten geht es nicht nur um die kürzeste Route, er möchte noch weitere Parameter mit einbeziehen – zum Beispiel Wetterdaten, Zuladung, Liefertermine oder vorgeschriebene Ruhezeiten. Um bei dieser Vielzahl an Daten den Überblick zu behalten, setzt er auf die KI.

Dabei greifen er und sein neunköpfiges Team auf sogenannte KI-Agentensysteme zurück. Diese Agenten kann man sich wie Bieter bei einer ebay-Auktion vorstellen. Zur Veranschaulichung bleiben wir beim Beispiel einer Spedition, die ihre Aufträge auf vorhandene Lkw verteilen muss:

Jeder KI-Agent steht hier für ein reales Objekt – zum Beispiel einen Lastwagen, der für eine Route eingeteilt werden kann. Wird nun ein Auftrag generiert – “hole Objekt X an Ort Y ab und bringe es zu Ort Z” –prüfen alle Agenten eigenständig, wie sie diesen Auftrag in Zusammenhang mit ihrem Standort und ihren bisherigen Aufträgen erfüllen können. „In einer Auktion berechnen dann alle Agenten ihre potenziellen Mehrkosten. Wer die beste und kostengünstigste Lösung anbietet, erhält den Auftrag“, so Gath. Dabei geht es nicht rein um eine Kilometerersparnis, auch Parameter wie die termingerechte Lieferung können dabei eine Rolle spielen.
So entstehen Routenplanungen, die intelligenter sind als die bisher von Menschenhand durchgeführten. „Manchmal ist auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar, warum die KI so entschieden hat. Vielleicht ist der Weg für einen Lkw länger als üblich, dafür spart ein anderer Zeit und Kilometer ein“, so Gath.

Künstliche Intelligenz in der Logistikbranche: Ein ungehobener Schatz

Damit eine solche Routenoptimierung bestmöglich funktioniert, braucht XTL möglichst viele Daten – und digitalisierte Geschäftsprozesse. „Wir statten etwa die Smartphones der Fahrerinnen und Fahrer mit Apps aus, auf denen sie Nachrichten empfangen, etwa, wenn sich eine Route während des Tages ändert. Denn dynamisch auf Situationen reagieren zu können, ist der größte Vorteil eines solchen Echtzeit-KI-Systems“, sagt der 34-jährige. Auch eine Überwachung der GPS-Daten kann in das System einfließen: Steht ein Lkw unplanmäßig in einem sich gerade entwickelnden Stau, aktualisiert sich das System mit diesen neuen Informationen und plant Routen.

All das setzt einen hohen Grad an Digitalisierung im Unternehmen voraus, der nicht immer gegeben ist. „Wir schauen uns deshalb zunächst den Ist-Prozess an, wenn wir mit einem neuen Kunden in Kontakt treten. Welche Daten gibt es? Wie funktioniert die bisherige Dispositionssoftware? Wo können wir anknüpfen? Erst dann prüfen wir, wie wir mit unseren Methoden Touren optimieren können“, ergänzt er.

Autonomes Fahren in der Logistik noch Zukunftsmusik

Zwar träumt er schon von der vollautomatischen KI-Software, welche die komplette Planung und Steuerung der Aufträge in der Logistik übernimmt, in der Realität ergibt sich jedoch häufig ein Mix aus Mensch und Maschine. „Jedes Unternehmen ist anders, handhabt sein Auftragssystem auf eine besondere Weise. Darauf stellen wir uns ein. Und viele Betriebe wollen noch einem Menschen die Oberhoheit geben“, sagt der promovierte Informatiker, der bereits in seinem Studium mit selbstlernenden Systemen in der Logistik gearbeitet hat. Zu seinen Kunden gehören Logistikunternehmen jeder Art, ob im Kurierwesen, Speditionsgeschäft oder sogar in der Entsorgungslogistik.

Dass seine Software eines Tages auch in selbstfahrenden Lastwagen eingesetzt wird, dessen ist er sich sicher. „Aber das wird noch mindestens 20 Jahre dauern. Solange es noch Funklöcher in Deutschland gibt, in denen kein mobiles Internet verfügbar ist, brauchen wir an autonome Fahrzeuge nicht denken“, so der gebürtige Bremer.

KI-Standort Bremen

Für die Zukunft hat er sich vorgenommen, sowohl sein Team als auch die Fähigkeiten seiner KIs auszubauen. Neue Datenquellen sollen hinzukommen. Das kann zum Beispiel die Belegung von Rastplätzen an Autobahnen sein, um Ruhezeiten zu optimieren.

Mit der Universität Bremen ist er nach wie vor eng verbandelt. Nicht nur durch die geografische Nähe – XTL sitzt im Technologiezentrum BITZ im Technologiepark an der Uni. Auch auf wissenschaftlicher Ebene tauscht er sich nach wie vor mit Professoren aus, plant Forschungsprojekte und nutzt die Nähe, um Fachkräfte zu gewinnen. Denn die sind in der KI-Wirtschaft heiß begehrt und XTL längst nicht das einzige Bremer KI-Start-up, das stetig Talente sucht.

Mehr Informationen zur KI-Branche in Bremen gibt es auf den Seiten des Bremer Netzwerks für künstliche Intelligenz bremen.ai

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