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Leichte Sprache / Deutsche Gebärdensprache

„Bremen ist ein Vorzeigebundesland in der KI – wir sehen sehr viele positive Aktivitäten“

Dr. Vanessa Just und Jascha Stein, Bild: Just/Stein

Die künstliche Intelligenz verändert unseren Alltag und die Wirtschaft rasant. Bremen etabliert sich als ein Hotspot der KI – mit hochkarätiger Forschung und zahlreichen Unternehmen.

Im Gespräch mit den beiden Leiter:innen der Regionalgruppe Nordwest des Bundesverbands Künstliche Intelligenz (KI), Dr. Vanessa Just und Jascha Stein, über die Stärken Bremens, die Arbeit des Bundesverbands und Hindernisse und Chancen für die Entwicklung der KI in Deutschland.

Frau Dr. Just, Herr Stein – der Bundesverband KI setzt sich für den KI-Standort Deutschland ein. Als Regionalgruppe vertreten Sie den Nordwesten. Was haben Sie sich auf die Fahnen geschrieben?

Dr. Just: Unsere Mission ist es, das KI-Ökosystem und die Innovationskraft für den Standort Deutschland und besonders für den Norden zu stärken. Als Bundesverband sehen wir unsere Aufgabe darin, die Akteure zu vernetzen, Lobbyarbeit zu betreiben und die Awareness von Unternehmen und Gesellschaft für das Potential und die Bedeutung der KI zu stärken.

Unsere Mitglieder im Bundesverband kommen hauptsächlichen aus dem Süden und Berlin – das muss aber nicht so bleiben. Wenn man sich die Hochschullandschaft, die Lehrstühle und die landespolitischen Strategien anschaut, sieht man, dass der Norden sehr viel besser aufgestellt ist als der Süden. Die politischen Rahmenbedingungen sind im Norden gut – es obliegt den Unternehmen, daraus etwas zu machen.

Stein: Konkret in Bremen arbeiten an Konzepten zur Vernetzung von KI-Akteuren – unter anderem mit dem Bremer KI-Transfer-Zentrum, dem Digital Hub Industry oder dem Netzwerk Bremen.AI. Wir versuchen, die Bremer KI-Themen auf Bundesebene zu kommunizieren und uns dort zu vernetzen.

Wie groß ist der Verband?

Dr. Just: Der Verband ist recht jung, gegründet 2018 – wir sind stolz, bereits jetzt über 300 Mitglieder zu haben. Bei uns sind nur Unternehmen Vollmitglieder, die sich der KI im Kern verschrieben haben.

Stein: Wir nehmen natürlich andere Unternehmen als Partner / Fördermitglieder auf – Unternehmen die Interesse an KI haben und es für das eigene Businessmodell brauchen, aber deren eigener Zweck ein anderer ist.

Welche konkreten Maßnahmen planen Sie, um ihre Ziele zu erreichen?

Dr. Just: Im Bundesverband haben wir Arbeitsgruppen u.a. zu Themen wie Klima, Data Privacy, Insurance. Wir formulieren Positionspapiere, die dann auch Medien wirksam vermarktet werden. Aktuell beteiligen wir uns an der Klimadiskussion mit einem Papier wo es um „Technologie und Nachhaltigkeit“ geht. In diese Arbeit können sich Unternehmen aus dem Nordwesten einbringen. Wir schaffen damit eine Bühne für KI-Themen und sind Sprachrohr der Branche.

Im Verband haben wir flache Hierarchien und sind gut vernetzt, dadurch erhalten unsere Mitglieder schnell Zugang zu relevanten Personen und Stellen. Eines unserer Mitglieder ist zum Beispiel Teil der Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“. Durch unsere Fördermitglieder erhalten Unternehmen zudem Zugang zu potenziellen Kunden – indem sie gemeinsam an Projekten und Themen arbeiten. Da schaffen wir Türen und Zugänge, die man anders vielleicht nicht erhält.

Sie setzen sich für die KI ein. Hat das Thema auf politischer und gesellschaftlicher Ebene in Deutschland den Stellenwert, den die Technologie braucht oder wird es in Deutschland noch unterschätzt?

Stein: Es ist unstrittig, dass die KI einer der größten Wirtschaftsfaktoren in der Zukunft ist. In Deutschland haben wir Nachholbedarf. Die Bundespolitik gibt dem Thema noch nicht genug Aufmerksamkeit und ergreift zu wenige Maßnahmen. Bremen ist hier im Gegensatz ein Vorzeigebundesland – wir sehen sehr viele positive Aktivitäten.

Wir treiben deshalb das Thema in Richtung Politik und Policy Making auf Bundes- und EU-Ebene voran. Wir wollen, dass KI-Regeln so gestaltet werden, dass sie uns keine Wettbewerbsnachteile verschaffen. Natürlich haben wir dabei schmale Grat zwischen Wirtschaftlichkeit und sozialen Standards wie Nachhaltigkeit, Datenschutz und Privatsphäre im Blick und wollen letztere Punkte natürlich auch in Zukunft gewährleisten.

Vor kurzem wurde ein KI-Thema in den Medien heiß diskutiert: Die EU-Kommission will künstliche Intelligenz umfassend regulieren, vor allem in Hochrisikobereichen. Laufen wir damit Gefahr, noch weiter den Anschluss zu verlieren oder ist das eine sinnvolle Regelung?

Dr. Just: Ich glaube, in der Gesellschaft ist die Faszination für die Technologie angekommen und auch das Bewusstsein, welchen positiven Impact sie haben kann. Aber wenn ich mir ansehe, welche EU-Regularien in die letzten Wochen diskutiert worden sind, habe ich die Sorge, dass diese Entscheidungen die Mehrwerte und positiven Aspekte unterbinden. Hier entstehen Hemmnisse, die zu einem großen Wettbewerbsnachteil werden können.

Wir haben eine sehr hohe Sensibilität in der Diskussion über Daten und Privatsphäre. In anderen Ländern ist Fortschritt in der KI-Technologie möglich, mit gleichzeitiger Gewährleistung der Datensicherheit und des Datenschutzes. Wir müssen uns fragen, ob wir uns wir uns mit Regularien selbst im Weg stehen.

Verlieren wir den Anschluss zu Ländern wie den USA. Israel, China?

Dr. Just: Wenn ich mir ansehe, wie viele führende Forschungsinstitute wir in der KI haben – und mir dann ansehe, wo gegründet wird, wo neue Unternehmen entstehen und warum sie dort entstehen und nicht bei uns und wenn man sich dann fragt, was die Gründe dafür sind, dann landet man bei Regularien und Hürden. Wir sollten uns fragen, wie wir solche Themen angehen können, damit KI bei uns in der Mitte der Gesellschaft und bei den Unternehmen ankommt.

Datenschutz ist oft ein rotes Tuch in der öffentlichen Diskussion und eine schwierige Debatte aus KI-Sicht, die durch ein mehr an Daten oft profitiert. Wie gehen Sie diese Debatte als KI-Bundesverband an?

Stein: Ich glaube, dass es wichtig ist, einen gewissen Standard einzuhalten – also einen hohen Datenschutz zu haben. Aber wir müssen Methoden finden, die KI nicht zu stark einzuschränken. Das ist möglich, zum Beispiel über zertifiziere Anonymisierung von Daten und gemeinsame Datenpools, wo sich mehrere Unternehmen oder Institute anonymisierte Daten teilen.

So ein Pool fördert sogar das Thema Datenschutz, weil Unternehmen nicht mehr unbedingt darauf angewiesen sind, selbst möglichst viele Daten abzugreifen, sondern auf diese gemeinsamen Pools zurückgreifen können.

Für uns ist es wichtig, dass wir den schmalen Grat zwischen Datenschutz und Verfügbarkeit wahren und gleichzeitig für Unternehmen nutzbare Grundlagen schaffen.

Sie haben gerade schon über die Schwierigkeit gesprochen, KI-Unternehmen in Deutschland zu gründen. Neben regulatorischen Hürden, wo sehen Sie derzeit noch Stolpersteine?

Stein: Wir sehen, dass es schwierig ist, in Deutschland außerhalb der wissenschaftlichen Strukturen Unternehmen zu entwickeln. Es gibt einen gewissen Fortschritt in der Startup-Landschaft, aber das Mindset ist nach wie vor stark konservativ im Vergleich zu Starthubs in der Welt. Es ist nicht wachstums- und innovationsorientiert genug und nicht risikobereit genug. Wir sehen da nach wie vor den Trend des Abwanderns ins Ausland.

Dr. Just: Wir haben beide in unseren Heimatorten gegründet, weil wir uns zur Heimat verbunden spüren. Wer etwas ändern möchte, muss sich den Hemmnissen stellen. Viele Menschen haben Angst zu scheitern. Was haben wir zu verlieren? Wir haben in Deutschland ein gutes Fangnetz. Wir haben gute Rahmenbedingungen, eine gute Ausbildung. Ich wünsche mir, dass viel mehr den Schritt wagen, einfach mal machen und tun. Wir sind aber langsam in einer Phase des Wandels und wollen das natürlich auch selbst vorleben.

Sie haben gerade Bremen im Bundesvergleich gelobt. Was macht Bremens KI-Landschaft aus?

Dr. Just: Bremen hat Hochschulen, einen DFKI-Standort, das KI-Transfer-Zentrum. Bremen hat mit Bremen.AI eine Bühne für Akteure und auch das Digital Hub Industry. Wenn ich mir ansehe, was andere Bundesländer umsetzen, dann schafft Bremen das alles komprimiert mit kurzen Entscheidungswegen. Bremen ist auch sehr offen, was den Umgang mit Daten angeht. Das würde man sich in anderen Bundesländern wünschen.

Stein: Wir stehen im Austausch mit Politik und Akteuren und sehen, dass aufgrund der Kompaktheit Bremen sehr schnell ist. Andere Bundesländer können sich ein Beispiel nehmen. Das ist auch der Grund, warum wir hier in Bremen viele Projekte planen und sehr aktiv sind – auch wir selbst als Unternehmerin und Unternehmer.

Sehen wir ein Jahr in die Zukunft – was war ein erfolgreiches Jahr für den KI-Bundesverband?

Stein: Wir wollen neue Mitglieder gewinnen und Partnerunternehmen stärker miteinbeziehen. Und konkret in Bremen die Vernetzung zur Bundesebene stärken. Auf wirtschaftlicher Seite wollen wir in Bremen die Frage beantworten: Wie kann man KI in kleine und mittlere Unternehmen bringen?

Dr. Just: Wir werden einen engeren Zusammenschluss mit Bremen.AI und dem KI-Transfer-Zentrum suchen. Ich habe bereits bei den Bremen.AI-Events unsere Positionspapiere vorstellen dürfen und ich würde mich freuen, wenn wir auch weiterhin gemeinsam Themen auf die Bühne bringen. Wir sehen starke Synergien mit Bremen.AI. Ein weiteres Projekt ist die Bildung: Wie kann KI In Unternehmen verankert werden – da wollen wir ein Fortbildungsprojekt im Sinne von „Train the Trainer“ angehen.

Wenn ein Unternehmen jetzt beim Bundesverband mitwirken will, was ist der kürzeste Weg zu euch?

Dr. Just: Einfach bei uns melden! Wir haben niedrige Mitgliedsbeiträge, wir sind ja stark Start-up-orientiert. Man kann bei uns natürlich online eintreten.

Wir leben ja nicht davon, dass man sein Logo auf die Webseite bringt und das war es dann, sondern indem man sich bei uns in die Arbeitsgruppen einbringt, andere Unternehmen kennenlernt und so Mehrwert generiert.

Frau Dr. Just, Herr Stein, vielen Dank für das Gespräch!

Über Dr. Vanessa Just

Dr. Vanessa Just ist Geschäftsführerin des KI-Steuer-Unternehmens wtsAI und Gründerin des KI-Start-ups juS.TECH, Herausgeberin im Springer Verlag und Autorin für Digitalisierung sowie Dozentin an Hochschulen in Hamburg und Stuttgart. Sie interessiert sich besonders für Themen der Nachhaltigkeit in Verbindung mit Technologie.

Über Jascha Stein

Jascha Stein ist Mehrfachgründer und mit seinem aktuellen Unternehmen, Omnibot, im Bereich der Chatbots und Sprachassistenten aktiv. Er engagiert unter anderem als World Economic Forum Global Innovator sowie Forbes Technology Council besonders für Themen rund um die Mensch-Maschine-Schnittstelle.

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