Die Europäische Kommission hat endlich wieder eine Gleichstellungsstrategie veröffentlicht: kurz vor dem Internationalen Frauentag erschien am 5. März 2020 die Mitteilung mit dem Titel „Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020 – 2025. Die letzte Strategie war 2015 ausgelaufen und lediglich durch ein Arbeitsdokument mit dem Titel „Strategisches Engagement der Kommission für die Gleichstellung der Geschlechter 2016-2019“ ersetzt worden.
Auf Initiative Bremens hatte sich die Gleichstellungs- und Frauenminister*innenkonferenz (GFMK) seit 2015 mehrfach für eine neue eigenständige EU-Gleichstellungsstrategie ausgesprochen. Die Kommission kündigt für die kommenden fünf Jahre viele Initiativen an, um die Gleichstellung von Frauen und Männern in der EU zu fördern. Was die EU in Gleichstellungsfragen schon erreicht hat, was sie darf und was sie in Zukunft vorhat, soll hier kurz erklärt werden.
Schon bei der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) im Jahr 1957 wurde in den Römischen Verträgen festgehalten, dass Männer und Frauen für die gleiche Arbeit auch den gleichen Lohn erhalten sollen. Seitdem konnten die EU und ihre Vorgängerorganisationen Rechtsvorschriften erlassen, um europaweite Mindeststandards zu schaffen. So trat 1975 die EWG-Richtlinie zur Entgeltgleichheit in Kraft. 1992 weitete der Vertrag über die Europäische Gemeinschaft (EG) die europäischen Kompetenzen auf Themen wie Chancengleichheit und Gleichbehandlung auf dem Arbeitsmarkt aus. Im selben Jahr erlangte die Mutterschutzrichtlinie Gesetzeskraft. Seit Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam im Jahr 1999 kann die Europäische Gemeinschaft darüber hinaus Rechtsvorschriften erlassen, um Diskriminierung – unter anderem aufgrund des Geschlechts – zu bekämpfen. Im Jahr 2010 legte die EU in einer Richtlinie Mindeststandards für Elternzeit fest. Damit setzte sie eine Einigung um, die von Gewerkschaften und Arbeitgebervertretungen auf europäischer Ebene ausgehandelt worden waren. 2019 einigten sich die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament schließlich auf eine weitergehende Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer in der EU hat seitdem mindestens Anspruch auf vier Monate bezahlter Elternzeit, wobei die Mitgliedstaaten die Höhe dieser Bezahlung selbst festlegen.
Auch die Tatsache, dass Versicherungen die Prämien für Frauen und Männer nicht unterschiedlich berechnen dürfen, ist der EU zu verdanken. Zwar hatte die EU-Gleichbehandlungsrichtlinie von 2004 diese Form der Diskriminierung ausdrücklich erlaubt, der entsprechende Artikel wurde aber im Jahr 2011 vom Europäischen Gerichtshof für ungültig erklärt.
Die nun vorgelegte Strategie bildet den Rahmen für die Arbeit der Europäischen Kommission auf dem Gebiet der Gleichstellung der Geschlechter und gibt die politischen Ziele und die wichtigsten Maßnahmen für den Zeitraum 2020-2025 vor. Sie ist einem dualen Ansatz aus konkreten Maßnahmen und Gender Mainstreaming verpflichtet, also der Einbeziehung der Geschlechterdimension als Querschnittsthema in alle Politikbereiche und Maßnahmen. Die Strategie bezieht sich insbesondere auf die Aktionsplattform von Peking aus dem Jahr 1995 und das Ziel Nr. 5 (Gleichstellung der Geschlechter) der Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung aus dem Jahr 2015. Dabei beschränkt sich die Kommission keineswegs auf die Arbeitswelt, sondern nutzt auch den Umstand, dass sie in anderen Politikbereichen eine beratende und koordinierende Funktion für die Mitgliedstaaten einnehmen kann. Sie geht in der Gleichstellungsstrategie von einem binären Geschlechtermodell aus. Ein Absatz widmet sich zwar dem Bereich der Mehrfachdiskriminierung, der auch LGBTI*-Personen ausgesetzt sind, dennoch herrscht ein Geschlechterverständnis vor, das sich auf Frauen und Männer beschränkt. Die Kommission hat allerdings angekündigt, Ende 2020 eine eigene Strategie zur Inklusion von LGBTI* vorzulegen.
Die Gleichstellungsstrategie definiert für die Gleichstellung der Geschlechter sechs Ziele, teils noch in Unterziele gegliedert, und verknüpft diese jeweils mit konkreten Maßnahmen, die im Folgenden dargestellt werden:
Geschlechtsspezifische Gewalt beenden:
Verringerung der geschlechtsbedingten Unterschiede auf dem Arbeitsmarkt:
Verwirklichung einer ausgewogenen Beteiligung von Frauen und Männern in verschiedenen Wirtschaftszweigen:
Bekämpfung des Lohn- und Rentengefälles zwischen Frauen und Männern:
Abbau des Gefälles bei Betreuungs- und Pflegeaufgaben:
Verwirklichung einer ausgewogenen Vertretung von Frauen und Männern in Entscheidungspositionen und Politik:
Wolf Krämer
Die Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa
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