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Leichte Sprache / Deutsche Gebärdensprache

Teilen statt Besitzen

Eine Frau in einem rosa Pullover schaut lächelnd aus dem Seitenfenster eines silbernen Autos

Was ist blau-grün, zwei Meter hoch, gut sichtbar und ein echter Bremer Exportschlager? Der mobil.punkt. Die Metallstele weist auf eine Carsharing-Station im öffentlichen Verkehrsraum hin. Erfunden hat sie Bremen, heute gibt es die mobil.punkte auch in Städten wie Nürnberg, Erlangen oder im norwegischen Bergen.
Aber warum ist es wichtig, über dieses blau-grüne Symbol zu sprechen? Es steht für einen elementaren Baustein im Stadtverkehr der Zukunft und ist gleichzeitig made in Bremen.

Carsharing – nutzen statt besitzen

1990 begann in der Hansestadt die Erfolgsstory des Carsharing. ‚Tun ist besser als reden‘ - eine Gruppe von Aktivisten startete eines der ersten Ansätze Deutschlands. Beim Carsharing besitzen Menschen das Auto nicht mehr, sie nutzen es nur in der Zeit, in der sie es auch wirklich brauchen.

In Bremen hat das in den vergangenen 30 Jahren zu einem großen Erfolg geführt: Fast 18.000 Menschen nutzen es – aber noch wichtiger: Um mehr als 5.000 PKWs werden die Bremer Straßen durch Carsharing derzeit entlastet. Jedes Carsharing-Auto ersetzt in Bremen durchschnittlich 16 private PKW, so eine Studie aus dem Jahr 2017.

Denn wer in der Stadt lebt und nur in Ausnahmefällen auf ein Auto zurückgreifen will, für den ist das Carsharing besonders attraktiv. „Ich spare die Kosten für Anschaffung, Garagenstellplatz, Wartung und Unterhalt – und nicht zu vergessen, die Zeit für Parkplatzsuche und Werkstattbesuche. Das macht es unheimlich günstig“, so Michael Glotz-Richter, Referent Nachhaltige Mobilität beim Senator für Umwelt, Bau und Verkehr.
Der 63-jährige ist ein Carsharing Pionier der ersten Stunde, unterstützt seit dreißig Jahren neue Verkehrskonzepte im Land Bremen maßgeblich, ist international gefragter Experte. Und nutzt auch privat gerne Carsharing.

Carsharing auf dem Vormarsch

Er gehört damit zu den vier Prozent aller Deutschen, die bei einem Anbieter angemeldet sind. Der Großteil von ihnen lebt in den großen Ballungsräumen und Städten, die Hälfte besitzt kein eigenes Auto. Für die Nutzerinnen und Nutzer ist Carsharing eine Ergänzung zum öffentlichen Nahverkehr oder steht als Zweitauto auf Abruf.

In den Medien sorgte jüngst der Zusammenschluss der Carsharingmodelle von BMW und Mercedes – DriveNow und Car2Go – für Aufsehen. Die seltene Kooperation der beiden Luxusautohersteller lässt den wohl größten Carsharinganbieter der Welt entstehen. Und zeigt gleichzeitig, wie ernst die Autogiganten den Wandel der Mobilitätswelt nehmen. Das neue "ShareNow" verbindet das Konzept des Carsharing mit Angeboten eines klassischen Mietautos und Chauffeurdiensten – ähnlich wie das amerikanische Uber.
"Eine ganz typische Entwicklung, in Zukunft werden Mobilitätsangebote dank Digitalisierung ineinander übergehen und es ermöglichen, bequemer von einem Verkehrsmittel zum anderen zu wechseln", ergänzt Glotz-Richter. "Am wichtigsten ist die Alternative zum Autobesitz – denn städtischer Straßenraum ist ein begrenztes Gut!"

Auch in der Planung von neuen Wohngebieten werden Carsharing-Angebote heute schon gleich mitgedacht. Denn Carsharing-Stationen sind deutlich günstiger als Tiefgaragen. Experte Glotz-Richter schätzt, dass durch Angebote zum Teilen von Fahrzeugen in Bremen allein bis zu 90 Millionen Euro an Baukosten von Garagen eingespart werden konnten. "Wer über kostengünstiges Bauen nachdenkt, muss auch die Mobilitätskosten einbeziehen."
Carsharing-Stationen sollen künftig mehrere Angebote vereinen: Wenn nebenan gleich eine Bikesharing-Station entsteht sowie eine Paketstation aufgebaut wird, fällt es Nutzerinnen und Nutzern noch einfacher, Wege des täglichen Lebens ohne Anschaffung eigener Autos zurückzulegen.

Die Sache mit den Parkplätzen

Zwischen acht und zehn mobil.punkte werden in Bremen inzwischen jährlich eingerichtet, mehr als 100 Carsharing-Stationen gibt es insgesamt. Auf ihnen dürfen exklusiv nur die Fahrzeuge der jeweiligen Anbieter parken. Parkraum, der nur scheinbar für die Öffentlichkeit verloren geht.

"Da jedes Carsharing Fahrzeug mehr eine ganze Anzahl an Autobesitzenden überzeugt, umzusteigen und auf ihr Auto zu verzichten, schaffen wir in der Gesamtheit mehr Raum in den Städten", so Glotz-Richter.

Cambio in Bremen der (Park-)Platzhirsch

Für den Erfolg des Bremer Carsharings steht vor allem der Anbieter Cambio, mit seiner Präsenz in 23 deutschen und 49 belgischen Städten eine bremische Erfolgsstory. Seit einigen Jahren nutzt Cambio zudem auch eine E-Auto-Flotte, denn gerade für die kurzen Wege in den Städten sind die Elektrofahrzeuge prädestiniert. Zudem gibt es mit moveabout und Flinkster noch zwei weitere Anbieter in der Hansestadt.

Sie setzen alle auf ein stationsbasiertes Geschäftsmodell – im Gegensatz zum sogenannten Free-Floating, dass es in Bremen bisher nicht gibt. Beim Free-Floating wird das Auto am Zielort abgestellt, der nächste Kunde holt es dort wieder ab, feste Plätze gibt es nicht. Allerdings funktioniert das nur für ein begrenztes Betriebsgebiet, was nur etwas mehr als die Innenstädte abdeckt. Deshalb gibt es dieses Angebot auch fast nur in Millionen-Städten.

Weichen frühzeitig gestellt

Dass Carsharing im Land Bremen seit nun fast 30 Jahren so gut funktioniert, ist auch der Politik zu verdanken, die an der Weichenstellung tatkräftig mitgewirkt hat. Ein Beispiel zeigt das besonders eindrucksvoll: 2017 wurde das sogenannte Carsharing-Gesetz von der Bundesregierung verabschiedet. Es regelt die Bevorzugung von Carsharing-Plätzen auf Straßen gegenüber anderen Interessen und ist somit eine wichtige rechtliche Grundlage für die Einrichtung künftiger mobil.punkte und Stationen. Die Grundlage des Gesetzes gehen auch auf Vorbereitungen und Rechtsauslegungen zurück, die in Bremen erstmals angewandt wurden.

Für die Zukunft sieht Glotz-Richter eine Zunahme des Carsharing zusammen mit anderen neuen Mobilangeboten. "Der ÖV und das Rad als Alternative zum Autofahren – und Carsharing als Alternative zum Autobesitzen! Das ist Mobilität als Dienstleistung." Bremen sei jetzt schon eine Stadt mit verhältnismäßig geringen Staus und er habe große Hoffnungen, dass der Verkehr in Zukunft noch einfacher, komfortabler und umweltfreundlicher werde.

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