Leonard, der Bitcoin stand vor einem Jahr bei fast 20.000 Dollar, jetzt hat er Dreiviertel eingebüßt. Ebenso ist die mediale Aufmerksamkeit eingebrochen. Wie nimmst du die Diskussion rund um die Technologie gerade wahr?
Leonard Pust: Hauptfokus vieler Medien ist der Preis. Ende letzten Jahres war Bitcoin kein Geheimtipp mehr, selbst beim Bäcker konnte man darüber reden, es entwickelte sich eine Blase. Die hat es bei Bitcoin aber öfter gegeben. Schon 2014 brach der Kurs um 80 Prozent ein und ging dann knapp drei Jahre in einen ‚Bärenmarkt‘, bevor er Ende 2016 wieder anzog.
Wichtig ist, dass der Preis vom Bitcoin nicht den Wert der Technologie widerspiegelt. Rein technologisch ist der Bitcoin aktuell viel weiter als Ende letzten Jahres. Das war ein Hype und der extreme Preisanstieg sorgte für Aufmerksamkeit. Die Gier vieler Menschen spielte da mit rein - ich hoffe, dass einige Investoren die aufgrund vom „schnellem Geld“ gekommen sind, dennoch bleiben und sehen, welche Vorteile Bitcoin bietet.
Welche sind das?
Pust: Etwa die Unabhängigkeit von Bankensystemen. Das ist nicht unbedingt hochrelevant in Deutschland, aber in anderen Ländern sind Kryptowährungen ein Plan B. Etwa Venezuela, wo der Bolivar eine Hyperinflation durchmacht und Kryptogeld eine stabilere Alternative bietet. Wenn Regierung und Zentralbanken unter einem Dach agieren und unbegrenzt Geld drucken können, sind am Ende die Bürger die Leidtragenden. Im Gegensatz dazu ist die Anzahl der Bitcoins limitiert.
In den Medien geistern oft die Begriffe Bitcoin und Blockchain – was ist was?
Pust: Blockchain ist die zugrunde liegende Technologie hinter Bitcoin. Die Technologie kann für vielfältige Zwecke genutzt werden, die nicht auf Geld- oder Bezahlprozesse beschränkt sind. Unternehmen aus dem Bankensektor, der Versicherungswirtschaft oder dem Energiesektor experimentieren gerade mit ihr. Sie versprechen sich davon Effizienzvorteile und Kostenersparnisse.
Mit dem Bitcoin hat auch die Blockchain einen Hype durchlebt. Aber sie ist keine ‚Allheilstechnologie‘. Ich vergleiche das gerne mit einer scharfen Soße. Eine scharfe Soße ist optimal, um Chili con Carne oder Curry besser zu machen, aktuell wird sie aber auch über Pudding und Schokokuchen gegossen. Firmen mit „Blockchain“ im Namen wurden vielfach überbewertet, vergleichbar mit der Überbewertung von Internet Firmen während der DotCom-Blase.
Die Blockchain ist mehr als digitales Geld – wie können Unternehmen von der Technologie profitieren?
Pust: Die Blockchain ist eine verteilte Datenbank. Sie ist nicht an einem Punkt, in einem Rechenzentrum gespeichert. Jeder Nutzer hat die komplette Version der Datenbank auf seiner Festplatte, die laufend aktualisiert wird. Dank der Verteilung und durch weitere kryptografische Verfahren wird sichergestellt, dass die Daten nicht manipulierbar sind. Denn wenn jeder Teilnehmende eine vollständige Kopie aller Daten hat, fällt eine einseitige Manipulation sofort auf, da sich ein Datensatz von allen anderen unterscheidet. Sie werden fälschungssicher.
Hinzu kommt die allgemeine Verfügbarkeit und Integrität der Daten: Jeder kann jederzeit auf alle Daten zugreifen, sie können nicht durch den einseitigen Ausfall einer Festplatte oder eines Rechenzentrums verloren gehen. Unternehmen versprechen sich dadurch effizientere Prozesse.
Aber Blockchain ist nicht gleich Blockchain…
Pust: Es gibt verschiedene Formen, sprich - es gibt offene und geschlossene Blockchains. Offene Blockchains, wie Bitcoin, haben keine geografischen Grenzen, sind offen, nicht zensierbar und die Nutzer haben die Kontrolle über die Informationen sowie Transaktionen. Bei der privaten Blockchain hingegen sind die Daten nicht öffentlich verfügbar und es gibt meistens eine zentrale Instanz oder eine beschränkte Anzahl von Teilnehmern. Daher kann man offene Blockhains gut mit dem Internet vergleichen, während geschlossene eher einem Intranet ähneln.
Inwiefern hat eine Blockhain Vorteile gegenüber einer einfachen Datenbank, wenn ich als Unternehmen die Hoheit über Daten behalten möchte, also eine geschlossene Lösung präferiere?
Pust: Vorab: Zentrale Systeme sind immer schneller als dezentrale. Aber die Datendezentralität bietet andere Vorteile wie Ausfallsicherheit, Datenintegrität, Fälschungssicherheit und Nachverfolgbarkeit der Daten. Somit kann Vertrauen zwischen Firmen ohne einen Mittelsmann geschaffen werden, da jede Partei unveränderbare Daten nutzt. Ob eine Blockhain wirklich Vorteile bietet, muss im Einzelfall entschieden werden.
Dazu gibt es anschauliche Entscheidungsbäume.