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Hungrig den Klimawandel anpacken: Bei CheWOW schlägt das Herz für Food und Nachhaltigkeit

Die Gründer: Marlo Kockerols und Federico Krader, Bild: CheWOW

Die Nachfrage nach Fleischersatz wächst und immer häufiger füllen Ersatzprodukte die Supermarktregale. In Bremen und Hamburg zählen dazu auch die Produkte des Start-ups CheWOW. Welche Ziele das junge Unternehmen verfolgt und wie nachhaltig die veganen Alternativen sind, erzählt uns Gründerin Marlo Kockerols.

Eigentlich strebten Marlo Kockerols und Federico Krader eine steile Karriere im Finanzwesen an. Die beiden lernten sich im BWL-Studium kennen und teilten gleich zwei Leidenschaften: „Wir sind Food-verrückt und unser Herz schlägt für Nachhaltigkeit“, sagt Marlo. Dass sie beide Interessen verbinden und daraus ein eigenes Unternehmen gründen würden, hätten Federico und Marlo vor drei Jahren noch nicht geglaubt.

Im Sommer 2018 klettern die Temperaturen in Deutschland aufs Höchstmaß – „der zweite zu heiße Sommer in Folge“, erinnert sich die Gründerin. Als die beiden schwitzend in einem Café sitzen und gerade ein Laster mit einer Fleischlieferung vorbeifährt, klingelt ihr Smartphone. Am anderen Ende der Leitung ist Ricarda, Marlos Mutter. In der Nahrungsmittelbranche beschäftigt, kennt sich Ricarda entsprechend aus und erzählt von einer Idee: alternative Fleischprodukte im deutschen Lebensmittel-Handel.

„Ich hatte eine Statistik gesehen, laut der unsere Ernährung fast ein Viertel der CO2-Emissionen ausmacht“, erinnert sich Marlo. Und die tragen bekanntlich zur Erderwärmung bei. Auf den Anruf folgten „gefühlte 1000 Stunden Research und eine wachsende Begeisterung darüber, hier tatsächlich Zukunft gestalten und den Planeten ein kleines bisschen besser machen zu können (PDF)“, so die Gründenden. Kurzerhand kündigen Marlo und Federico ihre Jobs. Die Idee für CheWOW ist geboren.

Gyros aus Kürbiskernen, Nuggets aus Ackerbohnen

Im April 2019 launchen Marlo, Federico und Ricarda ihre ersten Burger-Patties zunächst unter dem Label Bold Foods. Hauptzutat: proteinreiche Speiseinsekten, die Buffalowürmer heißen. Kurze Zeit später geht es dem Start-up bereits an die Existenz: Ein anderes Unternehmen hat sich das englische Wort „bold“ schützen lassen, es folgt ein Rechtsstreit. „Das war der Tiefschlag – aber wenn ich heute unsere Produkte im Laden sehe, ist das ein unbeschreibliches Gefühl“, erzählt Marlo. Die drei treten von dem Rechtsstreit zurück. Ein Jahr und erneut viele Stunden Recherche später folgt das Rebranding: Aus Bold Foods wird CheWOW. Mit dem neuen Namen kommen auch zwei neue Produkte auf den Markt, diesmal sind alle Produkte vegan.
„Wir setzen auf Vielfalt“, sagt Marlo und meint damit die Zutaten, die bei der Herstellung zum Einsatz kommen. So unterscheidet sich das junge Unternehmen von anderen Fleischersatzanbietern, die vermehrt auf Basis von Sojabohnen produzieren. „Es gibt drei Säulen nachhaltiger Ernährung“, erklärt die Gründerin. Dazu zählten Lebensmittel auf Basis von Pflanzen und Insekten sowie solche aus dem Reagenzglas. CheWOW fokussiert sich auf die pflanzenbasierte Variante.

„Eines unserer pflanzlichen Produkte stellen wir zum Beispiel aus Kürbiskernen her. Diese werden für andere Zwecke gepresst, um das darin enthaltene Kürbiskernöl zu gewinnen. Übrig bleibt der gepresste Kern – und den verwenden wir als Basis für unser Gyros“, erklärt sie. Neben den gepressten Kürbiskernen verarbeitet CheWOW Ackerbohnen zu „Hähnchen“-Nuggets. „Die sind gut für die Fruchtfolge, denn sie entziehen dem Boden Schadstoffe“, weiß die Gründerin. Außerdem wachse die Ackerbohne im Norden Deutschlands, somit fielen die Transportwege kurz aus – ein weiterer Pluspunkt im Kampf gegen den Klimawandel.

Forschung wird groß geschrieben

„Wir wollen auf alle Teller in Europa – that`s the dream“, sagt Marlo. „Wir wollen eine Revolution anzetteln, aber ohne erhobenen Zeigefinger, stattdessen mit gesundem Realismus“, betont sie. Dazu gehöre auch das Wissen um die eigenen Grenzen: „Wir selbst können keine Produkte entwickeln. Aber ich kann Research betreiben und mir die richtigen Leute an Bord holen – find the best people for the job“, lautet ihre Devise. „Wir sind Kopf und Seele von CheWOW, machen die ‚Groundwork‘. Wir untersuchen alternative Proteinformen und arbeiten dafür mit Forschungsinstituten aus ganz Deutschland zusammen. Nachdem die Grundlage geschaffen ist, entwickeln und produzieren andere weiter“, so die Gründerin. Auch hier sind die Transportwege kurz: Hergestellt werden die CheWOW-Produkte in Niedersachsen. Seit dem Rebranding wächst das junge Unternehmen kontinuierlich, inzwischen liegen die Fleischalternativen im Tiefkühlregal aller kaufmännischen REWE-Filialen in Bremen sowie in den ersten Hamburger Märkten der Handelskette. Auch den Online-Supermarkt myenso sowie erste Edeka-Filialen beliefert das Start-up. Ein Store-Locator auf der Webseite findet den nächsten Supermarkt mit CheWOW-Produkten im Sortiment.

„Der Tönnies-Skandal hat uns nach vorne gebracht“

Trotz Wachstumsphase ist auch an CheWOW die Corona-Pandemie nicht spurlos vorbei gegangen. „Eigentlich wollten wir die veganen Produkte früher launchen, aber Corona hat die Produktion verlangsamt“, erzählt Marlo rückblickend. „Bei so einer Krise rutschen wir als Start-up ganz schnell mal durch“, sagt sie. Für CheWOW ist Marlo immer wieder auf der Suche nach neuen Investoren. Dabei orientiere sie sich häufig an jungen Firmen mit ähnlich nachhaltigen Zielen. Denn dann sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich ein Investor auch für ihr Unternehmen interessiere. In seinem weiteren Kontext hat das Virus aber auch positive Auswirkungen auf das Bremer Start-up. Denn: „Der Tönnies-Skandal hat uns nach vorne gebracht. Der Fall hat eine Debatte losgetreten, die den Zeitgeist trifft – das spüren wir bei der Nachfrage nach unseren Produkten“, meint sie. Luft nach oben sei bei nachhaltigen Lebensmitteln allemal. Laut der Gründerin liegt der Anteil veganer Erzeugnisse auf dem Fleischmarkt derzeit bei 0,7%.

Gründen: Mix aus Lernen, Arbeit, Spaß und Sorgen

Den Planeten ein Stückchen besser machen: Motivation und Ehrgeiz sind bei CheWOW fest verankert. Derzeit besteht das Team aus fünf Mitarbeitenden und drei Praktikant*innen. „Start-up bedeutet anpacken und arbeiten. Je mehr Stunden du reinsteckst, desto größer ist der Output. Du musst ständig weiterlernen, sonst bist du obsolet“, sagt Marlo. Trotzdem würde sie sich jederzeit wieder für die Gründung entscheiden: „Es ist ein Mix aus Höhen und Tiefen und macht super viel Spaß. Ich mag die Challenge und das kontinuierliche Lernen gepaart damit, dass du etwas bewegen kannst. Federico und ich hatten noch nie so viel Spaß und so viele Sorgen gleichzeitig.“

Text: Anna Kehl


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