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10.3.2016 - Anne-Kathrin Wehrmann

In der Maritimen Explorationshalle des DFKI Robotics Innovation Center lernen Roboter schwimmen

Maritime Wirtschaft und Logistik

Wo Roboter schwimmen lernen

Sie sollen an Orten zum Einsatz kommen, die für Menschen unerreichbar sind: intelligente Robotersysteme, die tief unter der Meeresoberfläche auch bei schlechter Sicht und hohem Außendruck zuverlässig ihre Arbeit verrichten. Für die ersten Praxisübungen der Hightech-Geräte finden Wissenschaftler und Unternehmen in Bremen optimale Bedingungen vor. Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) betreibt hier eine Testanlage, die in Europa ihresgleichen sucht.
   

Ein wenig sieht es aus wie ein kleiner, sehr filigraner Torpedo, was da gerade leise surrend durch das Wasserbecken taucht. Doch das leuchtend gelbe Unterwasserfahrzeug mit dem Namen „Leng“ ist in friedlicher Mission unterwegs: Es soll den Nachweis erbringen, dass Robotersysteme in Zukunft auf dem Jupitermond „Europa“ unter dessen kilometerdicker Eisdecke autonom nach Leben suchen können. Bis sich die Pläne in die Wirklichkeit umsetzen lassen, wird zwar noch viel Zeit vergehen. Aktuell absolviert „Leng“ seine ersten Praxistests auf der Erde, aber zur Zufriedenheit von DFKI-Mitarbeiter Marc Hildebrandt und seinen Kollegen. Abtauchen, vorwärts bewegen, die Richtung wechseln und wieder auftauchen – der Tauchroboter macht exakt, was er machen soll. „Nach den bisherigen Versuchen sind wir optimistisch, dass eine solche Mission tatsächlich funktionieren könnte“, meint Hildebrandt.

Als wichtiger Mosaikstein bei der Entwicklung und Erprobung von neuen Unterwassersystemen wie „Leng“ steht den Forschern die Maritime Explorationshalle des DFKI Robotics Innovation Center (RIC) zur Verfügung, deren Kernstück ein 23 Meter langes, 19 Meter breites und 8 Meter tiefes Salzwasserbecken inklusive 3D-Landschaft und verschiedenen Modellbauten ist. Ergänzt wird es durch zwei kleinere Wasserbassins, eine virtuelle 3D-Testumgebung und eine Druckkammer, die Drücke von bis zu 600 bar – was einer Wassertiefe von 6.000 Metern entspricht – erzeugen kann. „Wir haben uns hier eine perfekte Laboreinrichtung geschaffen, die in Europa einzigartig ist“, schwärmt Professor Frank Kirchner, Standortleiter des DFKI Bremen sowie Leiter des RIC. Weltweit betreibe lediglich ein Ölkonzern in Brasilien eine Anlage, die noch größer sei.

Anders als eine Kaffeemaschine

Ob bei der Inspektion von Schiffen und Pipelines, bei der Reparatur und Wartung von Offshore-Anlagen wie Windparks oder Ölplattformen, bei der Erkundung unbekannter Gewässer oder beim Erschließen von Bodenschätzen und Energiereserven aus der Tiefsee: Es gibt viele Anwendungsgebiete, in denen intelligente Systeme wie autonome Unterwasserfahrzeuge, robotische Greifhände und magnetische Kletterroboter benötigt werden. „Bei so komplexen Technologien reicht es nicht aus, ihr Verhalten am Computer zu simulieren“, erläutert Kirchner. „Das muss getestet werden.“ Im Meer sei das schwierig, weil Probeläufe dort enorm viel Zeit und Geld beanspruchen würden.

Unsere Umgebung hier ist ein hervorragendes Mittel, um die Leistung von kompletten Systemen unter kontrollierten Bedingungen zu evaluieren, und das von der Witterung unabhängig und vor allem auch realitätsnah.

Prof. Dr. Frank Kirchner, Standortleiter des DFKI Bremen sowie Leiter des RIC

Zu den entscheidenden Fragen, die die Wissenschaftler zu beantworten haben, gehören neben der Mobilität und der Navigationsfähigkeit der Roboter auch ihre Energieversorgung und die Datenübertragung. „Wir müssen klären, ob die Dinge langfristig in der Praxis so funktionieren, wie wir uns das in der Theorie vorstellen“, sagt Kirchner. Autonome Systeme seien immer mit Unsicherheiten verbunden: „Die funktionieren nicht wie eine Kaffeemaschine, die zu 100 Prozent Kaffee liefert, sondern es kann nur eine Annäherung an den Idealzustand geben. Die fehlenden Prozentpunkte müssen wir durch passende Algorithmen abfangen.“ In der Testanlage könne man die Erfahrungswerte sammeln, die benötigt würden, um die tatsächliche Einsatztauglichkeit nachzuweisen.

Eigenständiger Einsatz unter Wasser

Aktuell arbeiten die Forscher des DFKI unter anderem an einem System für einen brasilianischen Auftraggeber, das eigenständig die Strukturen einer Öl- und Gasplattform inspizieren und zu diesem Zweck dauerhaft im Meer installiert werden soll. Dort wird das Unterwasserfahrzeug eine eigene Infrastruktur in Form einer Docking-Station erhalten: In sie soll es wie in eine Garage einfahren können, um sich dort mit Energie zu versorgen, die gesammelten Daten zu übermitteln und neue Aufträge zu empfangen. Ein erster Prototyp ist bereits fertiggestellt.

In Planung ist darüber hinaus eine vergleichbare Anwendung in der Offshore-Windindustrie. „Bisher ging es in erster Linie um die Frage, wie Meereswindparks gebaut werden“, meint Kirchner. „Jetzt, wo sie langsam in Betrieb gehen, zeichnet sich ein Bedarf an Technologien ab, die dauerhaft die Leistungsfähigkeit der Anlagen erhalten.“ Hier könne die Robotik massiv zur Kostensenkung beitragen, da sie in Zukunft beispielsweise an Fundamenten effiziente und witterungsunabhängige Wartungs- und Reparaturarbeiten ermögliche. Zum Optimieren ihrer Fähigkeiten werden die Unterwasserfahrzeuge künftig regelmäßig ihre Runden im Tauchbecken drehen, wo sie am Modell eines Windpark-Fundaments, einer Pipeline oder an einem Fischnetz üben können.

Erste erfolgreiche Tests

Seit ihrer offiziellen Eröffnung im April 2014 habe sich die Maritime Explorationshalle in mehreren Tests „hervorragend bewährt“, sagt der DFKI-Standortleiter. „Wir sind sehr glücklich, die Anlage zu haben.“ Das dürfte auch für die externen Nutzer gelten, die in dem Becken ihre eigenen Versuche umsetzen dürfen. Verschiedene Meeresforschungsinstitute, wissenschaftliche Einrichtungen und Unternehmen hätten bereits ihr Interesse bekundet, so Kirchner. Einige von ihnen waren schon da und haben sich bei ersten Testläufen ein Bild von der Halle gemacht.

Zu den Kunden, die die Anlage künftig regelmäßig nutzen möchten, gehört auch das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) aus Bremerhaven. Ingenieur Johannes Lemburg war mit einigen seiner Kollegen dort, um die Bewegungseigenschaften, den Trimm und die Dichtheit des Tiefsee-Roboters „Tramper“ zu überprüfen. Im Frühjahr 2016 hat das Kettenfahrzeug einen ersten kurzen Einsatz im Pazifik bekommen, bevor es nun für zwölf Monate völlig autonom Sauerstoffmessungen am Meeresboden der Framstraße vor Spitzbergen vornimmt. „Wenn man so ein Gerät unerprobt ins Meer setzt, wie wir das früher manchmal tun mussten, erhöht das die Gefahr, dass etwas schiefgeht“, erläutert Lemburg. „Das Testbecken des DFKI ist definitiv eine große Hilfe, die Zuverlässigkeit der Geräte vor ihrem ersten Einsatz zu erhöhen.“


Pressekontakt: Team Unternehmenskommunikation DFKI Bremen, Telefon: 0421 – 178 45 41 21, E-Mail: uk-hb@dfki.de


Bilddownload

Das Bildmaterial ist bei themengebundener Berichterstattung und unter Nennung des jeweils angegebenen Bildnachweises frei zum Abdruck.

Foto 1: In Europa einzigartig: Die Testanlage für Unterwassersysteme des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Bremen. Kernstück ist das 3,4 Millionen Liter umfassende Salzwasserbecken. © DFKI GmbH / Foto: Annemarie Hirth
Foto 2: Das von den DFKI-Forschern gesteuerte Unterwasserfahrzeug im Salzwasserbecken macht Filmaufnahmen, die live in das Virtual Reality Labor – eine 3D-Testumgebung – übertragen werden. © DFKI GmbH / Foto: Annemarie Hirth


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